Sonntag, 26. Mai 2024

ESC 2014-2024 (14/45): Portugal

Mit dem Festival da Cancao hat Portugal einen Vorentscheid, der von einem ganz speziellen musikalischen Klang geziert ist. Es ist ein Klang der die portugiesische Kultur trägt, insbesondere das so fest in der portugiesischen Seele verankerte Fado. Mit dieser Musik war Portugal bis vor wenigen Jahren beim ESC großer Außenseiter. Doch Portugal lebt das, wofür der ESC da ist. Es zelebritert seine Kultur und Musik, die so einzigartig und es wert ist, der Welt gezeigt zu werden. Auch ich habe Portugal eine große ESC-Tradition zu verdanken. Seit dem ESC 2018 in Portugal backe ich zu jedem ESC (und anderen besonderen Anlässen) das portugiesische Nationalessen Pasteis de Nata. Es ist eines von vielen kulturellen Dingen, die Fest im Leben und Alltag der Portugiesen verankert sind. Das ist der Hauptgrund, warum ich Portugal so sehr mag; es hat eine besonders stark ausgeprägte eigene Kultur und ist sehr stolz darauf. Vielleicht schreibe ich hier mal einen eigenen Post über die Pasteis de Nata. Mein über Jahre optimiertes Geheimrezept gebe ich aber nicht so schnell heraus.

Ich wundere mich darüber, warum ich die portugiesischen Beiträge in den einzelnen Jahren so niedrig gerankt habe. In der Retrospektive sind sie es, die besondere Momente beim ESC kreieren und damit unvergesslich bleiben. Künftig sollte ich zwei mal darüber nachdenken, bevor ich einen portugiesischen Beitrag so schwach bewerte, wie ich es in der Vergangenheit oft getan habe. Dann steigt vielleicht auch Portugal in meinem Länderranking in eine Region, in der ich es viel eher verorten würde. Denn ich sehe unter diesen Beiträgen große Kunstwerke mit einem Mehrwert, den bei weitem nicht alle zum ESC bringen. Ich mag Portugal als ESC-Nation sehr und bin froh darüber, dass sie an ihrem Konzept festhalten.

Platzierung als Nation in meinen Rankings: 32. (28./30./30.)

Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 6. 2014

Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 35. 2018

Teilnahmen 2014-2024: 9

Bestes Ergebnis beim ESC: 1. mit 758 Punkten 2017

Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 15. im Semi mit 51 Punkten 2019

Mein Top Beitrag aus Portugal ist "Grito". Es ist ein fantastisches Kunstwerk von Musik. Der stetige Aufbau des Liedes, mit seinen unterschiedlichen Phasen, bis er in dem großen Schrei (Grito) mündet. Ein Schrei der schwierigen Emotionen, von denen der Song handelt. Die Inszenierung auf der Bühne dazu ist genau passend verstärkend zu dem Gesungenen. Es ist gar nicht so leicht in Worten zu beschreiben wo ich den Unterschied zwischen den portugiesischen Kunstwerken mache. Dieses hier ist einfach noch intensiver, kleverer, besser als die anderen. Was keinesfalls bedeutet dass die anderen schlecht sind.


Den zweiten Platz macht "Love is on my Side". Das Lied basiert auf einer Begegnung von Bandmitgliedern in einer Bar in Amsterdam. Dort trafen sie eine Sexarbeiterin die von ihrem Leben erzählte. Ein Leben geplagt von Ungerechtigkeiten und Einsamkeit. In der Erzählung versicherte sie aber immer wieder "Love is on my Side". Diese Begegnug beeindruckte The Black Mamba so sehr, dass sie daraus ein Lied schrieben, welches schließlich bis ins ESC-Finale kam. Drei Minuten lang hat Europa gemeinsam an diese Frau gedacht, die stellvertretend für viele stehen kann, an die die Gesellschaft nie denkt. Dieser magische Moment bringt mich immer wieder zum weinen. Bis Heute frage ich mich ob sie das gesehen hat, ob sie das mitbekommen hat, ob sie weiß dass hunterte Millionen Menschen ihrer Geschichte zugehört haben. Ich würde es mir wünschen und ich frage mich wie sie darauf reagierte. Das was "Love is on my Side" geschaffen hat, geht nur beim ESC.

"Ai Coracao" ist drei Minuten voller Freude zu kulturell wertvollen portugiesischen Klängen. Ein Lied das zehn Jahre lang in der Schublade lag und erst zu etwas ganz Besonderem herausgeholt werden sollte, ist auch etwas ganz Besonderes. "Saudade, Saudade" ist ein weiteres großes portugiesisches Kunstwerk. Es ist eine beeindruckende musiklische Verkörperung des großen portugisischen Wortes "Saudade", das nur unzureichend mit "Weltschmerz", "Heimweh", oder "Liebeskummer" übersetzt werden kann. Das Lied transportiert mit seiner ungewöhnlichen Machart genau dieses große Gefühl Saudade, dessen Wort wohl eines der größten sprachlichen Errungenschaften der Menschheit ist.

"Hár um mar que nos Separa" hat eine wundervolle Melodie. Suzy ist mit ihrem "Quero ser Tua" ein ESC-Klassiker und hat mein dreizehnjähriges Ich perfekt angesprochen. Auch "Telemóveis" und "O Jardim" sind tolle Werke mit einem künstlerischen Mehrwert.

Salvador Sobral ist der wohl respektloseste ESC-Sieger aller Zeiten. Alle, die musikalische Kunst nicht genauso machen wie er es tut, werden oder wurden von ihm aufs Schärfste abgewertet. Er hat immer wieder gesagt und gezeigt, dass er den ESC gar nicht mag, und seine Regeln und Konventionen bewusst, wiederholt gebrochen. Schon als ich noch nichts über ihn wusste, fand ich sein Lied mehr langweilig als alles andere. Er als Person nimmt mir aber auch den letzten Rest Freude daran. Auch wenn Salvador Jahre später mit seinen Haltungsweisen wieder etwas zurückgerudert ist, bleibt der fade Geschmack seiner Respektlosigkeit über den ESC und andere Künstler*innen - einfach nur weil sie eine andere Form von Musik machen, als er es tut. Bei diesem kleinen Absatz meiner Meinung zu dieser Sache, soll es dann aber auch bleiben. Denn anders als Salvador es lebt, geht es mir beim ESC darum, Leute ihre Musik, Kultur und anderes zu feiern.

Portugal ist ein Land das Kunstwerke zum ESC schickt, die die portugiesische Kultur und Musik feiern und der Welt näher bringen. Das ist eine echte Bereicherung für den ESC. Es freut mich sehr, dass Europa anscheinend vor wenigen Jahren damit angefangen hat, Portugal dafür zu belohnen. Es ist aber auch ein erarbeiteter Verdienst Portugals, denn die Beitrage sind in ihrer Qualität gestiegen. Ich freue mich drauf, was für Momente dieses Land in Zukunft kreieren wird.

Mein Ranking der portugiesischen Beiträge 2014-2024:


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