Sonntag, 10. November 2019

Gedanken nach Beginn meines Studiums

Ein Konzept für diesen Blog habe ich nicht mehr. Ab und zu schreibe ich wohl über den ESC, vor allem in der Vorentscheidungszeit und den zwei Probenwochen. Wenn mir danach ist schreibe ich hier Gedanken von mir auf.

So ist es auch jetzt. Nun studiere ich seit fünf Wochen. Mein Leben hat sich diesen Herbst von Grund auf verändert. Von der Kleinstadt bin ich in die Großstadt umgesiedelt. Vom Hotel Mama in die eigene Wohnung. Von der Schule, in der einem klar und deutlich gesagt wird, was zu tun ist, in die Uni, wo alles nur so von Selbstorganisation strotzt. Mit diesem harten Lebensumbruch habe ich mich auch in meiner Persönlichkeit verändert. Dass das passieren wird wusste ich vorher. An meinem Bruder, der sein Studium zwei Jahre früher begann, habe ich das schon hautnah miterlebt. Es ist ein komisches Gefühl zu wissen, dass man sich verändert hat. Keine Ahnung ob ich das positiv, oder negativ sehen kann. Die Idee von Peter Pan - für immer Kind bleiben - hat mich immer fasziniert. Die meiste Zeit meines Lebens wollte ich nicht älter werden, weil ich wusste dass das Leben mit zunehmendem Alter immer schwerer wird. So ist unsere Gesellschaft nun mal. Jetzt bin ich älter, in gewisser Weise irgendwie erwachsen, und ich finde das gar nicht so schlimm wie ich immer dachte. Gut finde ich es allerdings auch nicht. Noch mal jünger sein zu können wäre schon ganz schön. Das alles ist echt verrückt.

Meine schlimmsten Befürchtungen, dass ich an der Uni keine Leute kennenlerne mit denen ich Spaß haben kann, sind nicht eingetreten. Auch wenn es nicht viele sind, habe ich echt gute Freunde gefunden, bei denen ich weiß, dass ich immer auf sie zählen kann. Ich freue mich jedes mal darauf sie zu sehen. Einen Ersatz für die tollen Menschen, die ich in meiner Heimatstadt zurücklassen musste, sind sie nicht. Dafür sind die Leute mit denen ich etwas anfangen kann alle viel zu speziell und einzigartig. Der vermissende Schmerz derer, die in den letzten Jahren mein Leben halbwegs lebenswert gemacht und mir gezeigt haben, wie ich glücklich werde, wird durch die komischen Menschen an meinem neuen Platz immerhin gemildert.

Das Studieren an sich ist ungefähr so wie ich es mir vorgestellt hatte und doch ist es anders. Die 300 Seiten Lesestoff pro Woche, die zu meinen Studienfächern dazu gehören, machen mir echt zu schaffen. Die erbarmungslose Härte mit Fristen, Anforderungen und Formalien von Anmeldungen, Studienleistungen und all solchem Kram ist heftiger als ich dachte. Da macht man alles richtig, kontrolliert das zehn mal, und hat trotzdem Angst den gesamten Semesterkurs nochmal neu machen zu müssen, weil irgendeine Kleinigkeit nicht stimmte. Trotz der großen Arbeitslast ist das Studentenleben weitestgehend entspannt. Aufstehen in mörderischer Frühe stellt die Ausnahme dar. Oft beginnt der Tag erst gegen Mittag. Dann fahre ich ganz entspannt mit dem Rad zur Uni und genieße das Treiben in der Mensa. Dies ist meist der Höhepunkt meines Tages. Die Vielfalt der Menschen an diesem Ort der Bildung zu beobachten macht mich unsagbar glücklich. Da sind die Wirtschaftsstudierenden in Anzug und Krawatte, daneben sitzt eine Gruppe von Kunststudierenden mit ausgefallenen Styles. Auslandssemester aus aller Welt versuchen sich unbeholfen in dieser merkwürdigen deutschen Kultur zurechtzufinden. Hinter mir höre ich Französisch, auf das mit Englisch, Finnisch, oder was auch immer, geantwortet wird. Nicht nur junge Menschen kommen die Idee studieren zu gehen. Auch Lebenserfahrene möchten die wundervolle Möglichkeit des lebenslangen Lernens nutzen und einfach das tun wozu sie Lust haben - ihren geistigen Horizont zu erweitern.

Das alles wirkt fast schon einstudiert, doch entdecke ich jeden Tag aufs Neue ganz andere Menschen, die meisten davon hochinteressant. Ja, Universitäten scheinen Orte zu sein, an denen Menschen zusammenkommen, die sich Gedanken über sich selbst und ihr Leben machen. Menschen, die ihre Persönlichkeit ganz bewusst mit Überzeugungen ausleben. Menschen, die erkannt haben dass es im Leben um mehr geht, als ein lineares Leben zu durchlaufen, Geld zu verdienen und mit einer klassischen bürgerlichen Kleinfamilie vor sich hin zu verwesen, bis sie merken dass das alles irgendwie ziemlich langweilig und anstrengend war und sie ihren Träumen nicht annähernd nahe gekommen sind, geschweige denn in irgendeiner Weise der Welt ein Rückbleibsel von sich hinterlassen werden. An der Universität versammeln sich komische Kauze, links-grün-versiffte Idealist*innen, Nerds, Wahnsinnige und diejenigen die einfach keine Lust haben das öde, Vorgegebene zu tun, was andere von ihnen gerne hätten. Ja, das ist schon ein toller Ort diese Universität.

Frisch aufgetankt voller Energie und Lebensfreude, aus der Zeit in der Mensa, geht es dann in die Vorlesungen und Seminare. Dort erfahre ich einiges langweiliges, was halt sein muss, aber auch vieles interessantes, was hellauf Begeisterung in mir auslöst. Allein für diese vielen Momente lohnt es sich zu studieren. In der Einführungswoche haben mir Studierende aus höheren Semestern gesagt "Im Studium geht es um Selbstfindung und Selbstverwirklichung". "Es ist dein Studium, mach was draus". Auch wenn ihr das hier nie lesen werdet, danke für diese Weisheiten! Sie inspirieren mich und bestärken mich in meinen Überzeugungen. Sie helfen mir noch glücklicher denn je mit dem zu sein, was ich tu.

Mein altes Leben vermisse ich nicht. Heute frage ich mich sogar warum ich das Schüler*innen-Leben immer so toll gefunden habe. Ich dachte ich hätte viel Freizeit und damit Freiheit, dabei habe ich jetzt so viel mehr Freiheit als in meiner Schulzeit. Ich merke dass ich meine Familienmitglieder erst so richtig zu schätzen verstehe wenn ich diesen Abstand von ihnen bekomme. Vor drei Wochen konnte ich für einige Minuten meinen Bruder treffen. So sehr habe ich mich wohl noch nie über ein Treffen mit ihm gefreut. Erstmals seit Jahren freue ich mich auf Weihnachten - wenn ich wieder zurück zu meiner Familie fahre.

Gestern war ich erstmals auf einem Parteitag, dem 3. Bundesparteitag der Jugend- und Entwicklungspartei Deutschlands. Leider lief das alles nicht so wie geplant. Keiner weiß so richtig wie es jetzt weitergehen wird. Eigentlich möchte ich mir nicht eine neue Partei suchen, das habe ich schon letzten Sommer und Herbst getan. Parteilos zu werden ist für mich aber auch keine Option. Eigentlich wollte ich bislang diesen Blog politisch neutral halten. Nach ein paar Wochen Studium weiß ich jetzt aber dass ich nicht mehr dazu kommen werde, hier eine dauerhafte ESC-News-Seite draus zu machen. Wie eingangs beschrieben wird es hier phasenabhängig immer mal wieder was zu lesen geben. Ob das jemand liest ist mir ziemlich egal. So wie ich einfach nur für mich selber solche "nutzlosen" Fächer studiere, die mich angeblich direkt in die Arbeitslosigkeit führen würden, schreibe ich auf diesem Blog auch einfach nur für mich selber. Zum Beispiel um meine Gefühle zu verarbeiten, oder weil ich Spaß daran habe über die ESC-Bubble zu berichten. Da das hier also in eine andere Richtung geht als ich es mir vor gefühlten Ewigkeiten mal ausgedacht habe, schrecke ich jetzt nicht mehr davor zurück auch aus meinem persönlichen politischen Leben zu erzählen, oder politische Kommentare zu schreiben. Vielleicht liest du hier ja auch mal ein Gedicht oder was anderes schönes. Da bin ich völlig frei, wie auch in meinem analogen Leben. Freiheit... frei sein... frei...

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