Montag, 5. Mai 2025

ESC 2014-2024 (27/45): Vereinigtes Königreich

 Die Ergebnisse des Vereinigten Königreichs beim ESC 2014-2024 sind insgesamt nicht besonders gut. Ich empfinde die legendäre Rundfunkanstalt BBC subjektiv auch nicht als ein gutes Land beim ESC. Und dennoch ist das, was die Insel uns liefert, insgesamt gesehen gar nicht so schlecht, sodass es in meinem 10-Jahres-Ranking für die Inselnation für Platz 19 reicht.

Platzierung als Nation in meinen Rankings: 19. (24./18./20.)

Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 6. (2024)

Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 36. (2015 und 2016)

Teilnahmen 2014-2024: 10

Bestes Ergebnis beim ESC: 2. mit 466 Punkten 2022

Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 26. mit 0 Punkten 2021

Es ist eine sehr knappe Entscheidung für mich zwischen Platz eins und zwei, weil ich gerne beiden Beiträgen den Preis für den besten britischen ESC-Beitrag 2014-2024 geben möchte. Ich habe mich für "Children of the Universe" von Molly entschieden. Dieses musikalische Meisterwerk spricht für sich. Die Power von allem daran muss erstmal jemand nachmachen. Damals war ich noch zu jung, als dass dieser Beitrag bei mir klick gemacht hat. Das kam aber kurze Zeit später. Seitdem bin ich immer wieder aufs Neue geflasht. Hätte der ESC 2014 zehn Jahre später stattgefunden, wäre das Vereinigte Köngireich womöglich mein Sieger gewesen. "Power to the People!"


Wer nicht in der schwulen Kultur unterwegs ist, versteht vermutlich nicht wie sehr dieser ESC-Beitrag so vieles aus der schwulen Kulturszene verkörpert. Olly Alexander ist durch Years & Years eine der größten Gay-Ikonen unserer Zeit. Alleine die Nachricht dass er zum ESC fährt hat die Briten auf Platz eins der Wettquoten gebracht! Die "Nill Points" Briten! Das Staging beim ESC ist nicht nur technisch durch die Perspektivwechsel beeindruckend und ein Stück weit showinnovativ. Der noch viel größere Wert darin liegt für mich in den zahlreichen Elementen der Gay-Szene, die darin verarbeitet sind. Es ist eine Hommage an schwule Kultur - und das in besser als meine Fantasie es sich hätte ausmalen können. Das Lied musikalisiert einen ganz spezifischen Gefühlszustand, für den es in der deutschen Sprache nicht einmal Wörter gibt. Es geht darum, wenn jemand anderes dich durch Berührungen und dessen Art als Person in einen Zustand versetzt, in dem das Gehirn ausschaltet, weil es zu einem scheinbar übermenschlichen Gefühl kommt, das es unbedingt beibehalten möchte und alles andere vergisst. Eine hypnotische Faszination in Kombination mit dem "Betteln" die andere Person(en) solle nicht aufhören zu tun was sie tut und zu sein was sie ist, damit dieser Zustand anhält. Dieses "Dizzy"-Gefühl wird nicht nur im Text und der ganzen Verkörperung des Beitrages, sondern auch musikalisch gut umgesetzt. Allerdings ist die musikalische Umsetzung für mich nicht perfekt, sonst müsste ich drüber nachdenken den Beitrag in meine Allzeit-Top 5 mit aufzunehmen. Und das ist auch die einzige Kritik die ich hieran äußern kann, die aber schwer ins Gewicht fällt im diesem hochkarätigen Wettbewerb von Kompositionen. Der Song läuft bei mir immer wieder auf Dauerschleife. Es ist wahnsinnig guter Eskarpismus.

Die Melodie von "Never give up on you" ist eine der größten Ohrwurmmelodien vom ESC für mich. Das Staging ist mit Worten kaum zu beschreiben: Magnificent! Die eigenartige Mimik und Körperhaltung von Lucie Jones während der Performance spiegeln sich bei mir automatisch wenn ich das Lied höre. Es ist ein Paradebeispiel von ESC-Beiträgen, die ich erst nach Ende des Wettbewerbs so richtig lieben gelernt habe, dafür dann aber besonders doll.

What a Man! Das was Sam Ryder mit "Space Man" auf die ESC-Bühne gebracht hat, zeigt wozu die britische Musikszene fähig ist. Und sie ist es jedes Jahr. Dafür muss die BBC nur das nutzen was da ist. 2022 wurde das mit der Silbermedaille belohnt. Ich habe den Eindruck dass die Briten seitdem Blut geleckt haben und jetzt alles in Schale legen um tatsächlich jedes Jahr eine gute Repräsentation britischer Musik zum ESC zu bringen. Dabei fallen sie derzeit noch ein wenig über Stolpersteine, aber an sich ist die BBC auf dem richtigen Weg. Für mich müsste das Lied an sich, ohne den strahlenden Space Man, noch etwas besser sein, damit es ganz nach oben ginge.

"Bigger than Us" und "Storm" sind ESC-Beiträge die am Tag nach dem ESC-Finale auf ihrem Gipfel ihrer Gunst bei mir waren, und deshalb in meinen letztlichen Rankings bessere Platzierungen erreicht haben, als sie sie vorher in der Saison hatten und auch als ich sie später einordnen würde. Beides sind kraftvolle Lieder mit ordentlich Wumms der mitreißt, denen aber doch das Besondere fehlt, damit es ganz nach oben gehen kann. Den ESC-Fan Running Gag "BIGGER" praktiziere ich weiterhin gerne XD

"Still in Love with you" ist meine vielleicht größte Live-Enttäuschung beim ESC. In der Studioversion hatte ich diesen Song, der so viel Spaß macht, in meinen Top 10. Nach dem Live-Auftritt im ESC-Finale musste ich ihn leider auf Platz 36 herabsetzen.



Sonntag, 4. Mai 2025

ESC 2014-2024 (26/45): Deutschland

 Mein Land, Deutschland, belegt in meinem 10-Jahres-Ranking "nur" Platz 20. Es gibt viele Gründe warum man beim ESC nicht über sein eigenes Land abstimmt. Ein Grund davon ist, dass es schwierig ist, den Beitrag seines eigenen Landes mit denen der anderen Länder in einen fairen Vergleich zu setzen. Dadurch, dass es das eigene Land ist, sind die Emotionen zu diesem Beitrag intensiver. Deshalb bin ich mir selber immer unsicher, wie ich Deutschland in meinem Ranking einordnen soll. Letztlich gehe ich nach meinem Gefühl und ich glaube dass ich Deutschland deshalb besser bewerte, als ich es tun würde, wenn ich nicht aus Deutschland stammen würde. Angesichts dessen ist der 20. Platz ein eher schlechtes Ergebnis. Aber Deutschland hat in den letzten 10 Jahren sieben mal den letzten oder vorletzten Platz als automatischer Finalist im Finale belegt. Wenn ich Deutschland schlecht bewerte, liege ich damit vielleicht einfach nur im europäischen Trend und es könnte an der tatsächlichen Qualität der Beiträge liegen.

Der 20. Platz setzt sich zusammen aus dem 14. Platz in der Wertung der Durchschnittsplatzierung pro Teilnahme der 45 Länder, dem 10. Platz in der Wertung der Durchschnittsplatzierung pro Jahr (inklusive Nichtteilnahmen) der 45 Länder, und dem 38. Platz in der Punktewertung für Top 10 Platzierungen der einzelnen Jahrgänge. Dabei kommt Deutschland mit einem 9. und einem 10. Platz nur auf drei Punkte. Deutschland habe ich in fünf von 10 Fällen auf den Plätzen 9-16. Vielleicht ist es auch so, dass ich Deutschland nicht auf eine höhere Top 10 Platzierung setzen möchte, auch wenn ich den Beitrag eigentlich entsprechend doll mag, denn wie anfangs erwähnt, ist es schwierig das eigene Land fair zu bewerten. Die fehlenden absoluten Top-Platzierungen machen das Ergebnis der sonst starken Durchschnittsplatzierungen kaputt. Denn auch wenn Deutschland wahrlich nicht erfolgreich ist, und es viele berechtigte Gründe gibt, Kritik an der deutschen Vorauswahl der letzten 10 Jahre auszuüben, finde ich die deutschen Beiträge beim ESC wirklich stark und teile die Kritik an den deutschen Beiträgen meistens nicht.

Platzierung als Nation in meinen Rankings: 20. (14./10./38.)

Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 9. (2018)

Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 29. (2017)

Teilnahmen 2014-2024: 10

Bestes Ergebnis beim ESC: 4. mit 340 Punkten 2018

Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 27. mit 0 Punkten 2015

Die deutschen Beiträge sind in ihrer Gunst bei mir ganz eng beieinander, viele davon quasi gleichauf. Sich für ein Ranking zu entscheiden war schwierig und eine solche Differenzierung wird des Beiträgen nicht unbedingt gerecht. Eine kleine Lücke zum ersten Platz gibt es aber trotzdem. Der geht an die einzige Top 10 Platzierung Deutschlands in diesem Zeitraum. Immer wieder denke ich, dass das doch einfach nur ein normales, nettes und trauriges Lied ist, doch wenn ich mir dann wieder den Auftritt anschaue, erinnere ich mich wieder was diesen Beitrag so erfolgreich gemacht hat. Insbesondere die Details in der Komposition lassen das Lied stark wirken. Am endtscheidendsten aber: Michael Schulte hat mit dieser Inszenierung und dieser persönlichen Performance einen dieser magischen Momente beim ESC geschaffen, der 200 Millionen Menschen gleichzeitig emotional berührt. Das ist etwas, das nur der ESC schaffen kann und das auch dort nicht leicht zu erreichen ist. Michael Schulte hat es gemeistert, sich damit den 4. Platz beim ESC, und meinen Preis als besten deutschen Beitrag beim ESC 2014-2024 verdient.


2019 dürfte das Jahr sein, für das es am meisten Kritik am deutschen Vorentscheid und deutschen ESC-Beitrag gibt. Vieles der Kritik am Vorentscheid ist berechtigt, aber die am ESC-Beitrag kann ich kaum verstehen. Es ist eine wundervolle Komposition mit so vielen Elementen, die das Hörerlebnis besonders macht. Darunter auch die wiederkehrende Melodie der Spieluhr, die ich genauso stark finde, wie die Flöten-Melodie im ESC-Siegertitel von 2013 "Only Teardrops" aus Dänemark. Beide Songelemente stammen vom selben Komponisten. Die Übergänge im Lied und die Harmonien, die Intensität der Performance, die die Komposition den Sängerinnen ermöglicht, all das macht das Lied überaus mitreißend und berührend für mich. Ich habe schon oft darüber geweint. Hinzu kommt die Sängerin Laurita Spinelli als Teil des Duos S!sters. Sie ist meiner Meinung nach die beste Backgroundsängerin, die Lena Meyer-Landrut mit auf ihre Konzerte genommen hat, wo ich magische Momente mit ihr geteilt habe. Die beiden Sängerinnen sind tolle Musikkünstlerinnen und verbessern den Beitrag dadurch weiter. "Sister" wird für mich über die Jahre auch immer besser und besser.

Genauso emotional mitreißend und zu Tränen rührend ist für mich "Rockstars" von Malik Harris. Bereits in seiner Studio Version und dem Musikvideo. Alles wirkt wie aus den US-Amerikanischen Top-Charts. Auch hier brillieren die Übergänge, die das Lied besonders mitreißend und immer intensiver werden lassen. Die private und schutzlose Inszenierung auf der ESC-Bühne mit Maliks persönlichen Möbeln, auf denen das Lied und dessen besungenen Erinnerungen entstanden sind, macht es für mich noch mal um einiges besser. Die Message der vergehenden schönen Momente und Zeiten, und dass wir sie genießen, die richtigen Entscheidungen treffen sollten, solange wir es noch können, sollten sich viel mehr Menschen verinnerlichen. Es ist eine wichtige Message zum Nachdenken die da Europa präsentiert wurde. Umso überraschender und enttäuschender ist der letzte Platz im Finale für mich.

Die Performance von "I don't feel Hate" hat so viele Elemente die mich unendlich glücklich machen. Es steckt so viel Herzblut, Liebe zu vielem und so viel Freude in diesem ESC-Beitrag. Die vielen Nörgler, die den Auftritt peinlich oder was auch immer finden kann ich nicht verstehen. Es gibt nichts Negatives an diesem Beitrag und genau darum geht es in ihm. Es wundert mich, dass gerade ein Lied das einfach nur fröhlich zeigt wie man ohne "Hate" leben kann, besonders viel "Hate" auslöst. Durch Jendrik habe ich außerdem angefangen Ukulele zu spielen. Seine Musik höre ich immernoch regelmäßig und erfreue mich daran. Er zeigt auch nach seiner Teilnahme seine Passion für den ESC und ist ein toller Mensch. Ein rundum toller ESC-Beitrag! Warum ich ihn im Wettbewerb nur auf Platz 21 gesetzt habe, verstehe ich nicht.

"Blood and Glitter" habe ich vor dem ESC 2023 als den deutschen Befreiungsschlag und auch persönlich vielleicht besten ESC-Beitrag empfunden. Das ernüchternde Ergebnis vom letzten Platz hat sicherlich dazu beigetragen, aber auch das Lied an sich ist eines, das bei häufigem Hören irgendwann einfach nicht mehr so kickt wie es bei anderen Liedern der Fall ist. Deshalb hat der Beitrag seit dem ESC bei mir an Gunst ein kleines bisschen verloren. Ich bin aber stolz darauf, dass mein Land mit so einer Message beim ESC vertreten wurde. Ich glaube, die vielen Leute, die den Text kritisieren verstehen ihn nicht. Die Message, das gesamte Auftreten der Band, auch auf der ESC-Bühne und die wundervollen Menschen dieser Band bringen mir ab und an immernoch Gänsehaut.

"Ghost" ist ein Beitrag der für mich mehr von seiner optischen Ästhetik und dem Sound der Sängerin, als vom Song selber lebt. Ich liebe den Style den Jamie-Lee Kriewitz der Welt präsentiert hat. Endlich mal jemand, der nicht etwas langweiliges und schon oft gesehenes macht - und dann sieht es auch noch so gut aus! Die deutsche Delegation war damals besonders glücklich wie der Auftritt letztlich geworden ist und das kann ich vollständig nachvollziehen! Die Atmosphäre ist mit den Laser strahlenen Bäumen, dem Mond, der Dunkelheit, selbst mit den schlichten Outfits der Backgroundsänger*innen fantastisch! Das Lied an sich ist auch gut, es ist halt nur nichts besonderes, was das Problem des Beitrags war. Ich habe mich richtig erschrocken, als ich bei der Erstellung dieses Posts gesehen habe, dass ich 2016 nur Platz 22 dafür übrig hatte. Ich hätte geschätzt den Beitrag etwa auf Platz 9 gesetzt zu haben.

Auch "Always on the Run" ist für mich nicht nah an deutschlands Top-Beitrag dran. Die unglaublich kraftvolle Stimme von Isaak, bildet gemeinsam mit der energetischen Inszenierung und dem intensiven Song eine Harmonie die genial gut funktioniert. Das wurde mit Platz 12 beim ESC belohnt. Und dennoch, wenn ich mir einen deutschen Beitrag aussuchen könnte, der anstatt des letzten/vorletzten Platzes, Platz 12 belegt, hätte ich andere Beiträge lieber gewählt. Angesichts dessen, dass all die anderen Sachen so schlecht funktioniert haben, frage ich mich, warum ausgerechnet dieser deutsche Beitrag erfolgreich war. Das bedeutet aber nicht, dass ich mich weniger über diesen Erfolg freue!

"Black Smoke" und "Is it right" sind schöne, nette ESC-Beiträge. Das reicht aber leider nicht für ein wirklich gutes Ergebnis. 2017 ist das Jahr an dem ich am meisten Kritik gegenüber dem deutschen Vorentscheid und ESC-Beitrag ausübe. Levina hat ihren Job beim ESC gut gemacht! Leider hat man ihr ein gar nicht so gutes Lied und ein Staging gegeben, das für mich zum Haareraufen ist. Der Opening Shot hat allerdings einen positiven Sonderpreis verdient.

Es gab in den letzten 10 Jahren schönere "Heimat"länder als ESC-Fan mit mehr zum Freuen und jubeln als Deutschland. Es ist nicht immer leicht ESC-Fan aus Deutschland zu sein. "Wir werden doch eh immer Letzter" habe ich schon zu oft gehört. Vor ein paar Jahren habe ich noch selbstbewusst dagegen verteidigt, aber sieben mal letzter oder vorletzter Platz im Finale in den letzten neun ESC-Ausgaben ist ein niederschmetterndes Gesamtresultat. Umso dankbarer bin ich um den Lichtblick des 4. Platzes von Michael Schulte, der zeigt, dass auch für Deutschland alles möglich ist. Ich frage mich auch warum Deutschland zuletzt so schlecht geworden ist. Bevor ich Hardcore-ESC-Fan wurde waren die deutschen Ergebnisse besser. Es gibt an den deutschen Vorentscheiden viel zu kritisieren, aber einiges läuft auch gut und der NDR versucht ja ernsthaft gute Ergebnisse zu erzielen. Vielleicht ändert sich strukturell etwas, wenn 2026 der SWR den ESC vom NDR übernimmt. Vielleicht auch nicht, aber "Hope never dies" und auch deshalb liebe ich den ESC. Jedes Jahr darf jedes Land aufs Neue darauf hoffen den ESC zu gewinnen. Auch Deutschland.



ESC 2014-2024 (25/45): Russland

 Am Morgen vom 24. Mai 2008 habe ich erstmals von der Existenz des ESCs erfahren. Bereits unaufgeregte Erklärungen haben mich völlig begeistert. Am gleichen Abend sah ich mir das ESC-Finale mit meiner Familie an. Ich war 7 Jahre alt. Der Auftritt Russlands am Ende des Abends, mit der Startnummer 24, hat mich so begeistert, dass es mein ganz klarer Sieger war. Am meisten war das Kind vom Eiskunstläufer fasziniert, aber auch der übrige Teil des Auftritts hat für große Begeisterungen gesorgt. Hinzu kommt das herausragende Lied. Zwar habe ich erst am nächsten Morgen erfahren dass Russland gewonnen hat, weil ich vor der Punktevergabe schlafen gehen musste, aber dieser Auftritt und dieses Lied haben einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen und rühren mich auch Heute noch zu Tränen. Die Leute können über den Kitsch dieses Auftritts sagen was sie wollen und Russland kann ein noch so problematisches Land (beim ESC) sein, das ändert nichts daran, wie dankbar ich Russland für diesen - meinen - ersten ESC-Sieger bin. Damit fing dieser riesengroße Teil meines Lebens an - meine Eurovision Passion.

In diesem 10-Jahre-ESC-Fan-Ranking, geht es aber nur um die Jahre, in denen ich als Hardcore-ESC-Fan, quasi alles was in der ESC-Bubble passiert, verfolge. Deshalb ist "Believe" raus. Russland ist ein ESC-Land, dessen Beiträge für mich unweigerlich immer einen Beigeschmack haben. Wenn Russland am ESC teilnimmt, schicken sie keinen Beitrag, von dem sie nicht glauben dass er realistische Chancen hat zu gewinnen (ignorieren wir 2018) - und das ist eine Bereicherung für den ESC. Was aus Russland kommt ist immer stark. Aber es ist auch immer dieser unbedingte Wille gewinnen zu wollen erkennbar; Der Versuch die Triggerboxen zu treffen, die den Sieg bringen, das unglaublich viele Geld das dahinter steht, die Perfektion in der Produktion. Dadurch wirken russische ESC-Beiträge auf mich oft zu künstlich, als dass ich sie ganz vorne an der Spitze sehe. Und vielen anderen geht es auch so. Im Zeitraum der letzten 10 Jahre ist Russland beim ESC zusätzlich mehr durch politische Aktionen, als durch anderes aufgefallen. Deshalb stellt sich für mich bei russischen Beiträgen immer die Frage, wie sehr ich darüber hinwegsehen kann, dass auf diesem Beitrag "Russland" steht.

Platzierung als Nation in meinen Rankings: 21. (11./36./17.)

Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 3. (2021)

Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 42. (2018)

Teilnahmen 2014-2024: 6

Bestes Ergebnis beim ESC: 2. mit 303 Punkten 2015

Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 15. im Semi mit 65 Punkten 2018

Mein 1. Platz Russlands geht an einen Beitrag der untypischer nicht sein könnte für dieses ESC-Land. 2021 gewann Manizha etwas überraschend die russische Vorauswahl mit der queerfeministischen Revolutionshymne "Russian Woman". Überraschend nicht weil es musikalisch nicht gut genug gewesen sei, sondern weil des kaum denkbar war, dass die russische Führung so einen Landesbeitrag beim ESC zulässt. Außerdem war es interessant, dass sich das russische Volk nicht für den vorgegebenen Favoriten, sondern für diesen politisch speziellen Beitrag entschieden hat. Ich habe nach dieser Entscheidung eine große Siegeschance für Russland beim ESC gesehen. Mir ist keine Rap-Gospel-Nummer bekannt, die mit der musikalischen Power dieses Auftritts auch nur ansatzweise mithalten kann. Die Umsetzung auf der ESC-Bühne ist großartig! Ich habe es für realistisch gehalten, dass dieser ESC-Auftritt eine russische Revolution auslösen könnte - es wäre nicht der erste ESC-Beitrag gewesen, der den Startschuss einer Revolution bildet - und wie wir wissen ist dafür auch kein gutes Ergebnis beim ESC von Nöten. Dieser besondere Auftritt hat 2021 meine persönliche Bronzemedaille erhalten, hinter Bulgarien und Rumänien. Nun kommt der erste Platz russlands der letzten 10 Jahre dazu.


"You are the only One" von Sergey Lazarev ist der Beitrag Russlands, der den Charakter dieses ESC-Landes am eindrucksvollsten zeigt. Ich glaube dass kein ESC-Beitrag der Geschichte so teuer war wie dieser. Das Geld hat sich gelohnt. Der Auftritt ist nichts geringeres als Showgeschichte. Der Song ist zwar gängiger Pop, aber die Komposition letztlich so stark, dass sie 2016 die anderen Teilnehmenden in ihren Schatten gestellt hat. Würde das alles nicht so gekünstelt und zu sehr gewollt wirken, wäre das ganz klar mein 1. Platz, aber dann geht es beim ESC doch irgendwie um mehr als das, was dieser Beitrag mitbringt. Am Ende ist Musik dann doch Kunst und die lebt von etwas, das sich nicht kaufen lässt. Wie ironisch, dass ausgerechnet in diesem Jahr die Ukraine gewann, mit einem Song dessen politische Botschaft an Russland nicht abzustreiten ist... Es war der Anfang vom (vorübergehenden?) Ende Russlands beim ESC.

Mit den Tolmachevy Zwillingen hat Russland das Phänomen der Zwillings-Performances beim ESC auf die Spitze getrieben - und ich liebe es! Für solche Dinge lieben wir doch den ESC. Dort kann man das machen, was anderswo nicht möglich wäre. Auch die Entscheidung, dafür den, beim ESC viel zu oft verwendeten, Songtitel "Shine" zu wählen - es ist alles so übertrieben ESC an diesem Beitrag! Herrlich! Wie oft ich in den letzten 10 Jahren diese Performance schon "getanzt" habe, wie oft ich mir diesen Ohrwurm, den ich sehr gerne habe, angehört habe. Alles an diesem Beitrag ist etwas komisch, aber das macht dessen Faszination für mich aus. Ja, es ist das Jahr, kurz nach russlands Annektion der Krim. Ich kann nicht völlig darüber hinweg sehen, dass es sich hierbei um Russland handelt, aber dieser übersteigerte Zwillings-Kitsch fasziniert mich seit nunmehr über 10 Jahren. Warum ich damals dafür nur Platz 20 übrig hatte ist mir Heute ein Rätsel.

Obwohl "Scream" eine dramatische Ballade ist, ploppt dessen Songmelodie immer wieder mal in meinem Kopf auf. Die Melodie ist wirklich gut, wie vieles anderes an diesem gelungenen ESC-Auftritt. An Sergeys ersten Beitrag von 2016 kommt das aber bei Weitem nicht heran.

Seitdem sich Polina Gagarina wiederholt bereitwillig als Unterstützerin Putins Kriegspolitik und -propaganda zeigt, hat die Friedenshymne "A million Voices" von 2015 einen großen Teil seines Appeals für mich verloren. Auch damals war es bereits kontrovers, dass Russland mit so etwas auftritt, während Russland die Krim angreift, aber Polinas Auftreten war so authentisch, dass ich ihr den Wunsch nach Frieden vollständig abgekauft habe. Auftritte bei Militärparaden passen allerdings weniger gut in dieses Bild. Die Komposition an sich bleibt dennoch stark.

Die nicht ernst gemeinte Protest-Teilnahme Russlands 2018 brauchen wir hier nicht weiter thematisieren.

2021 war die bislang letzte Teilnahme Russlands. Politische Spielchen des nationalen Rundfunks und der Angriffskrieg auf die Ukraine verhinderten weitere Teilnahmen. Ob oder wann Russland künftig wieder dabei ist, lässt sich derzeit nicht voraussagen. Fest steht auf jeden Fall dass Russland auf verschiedene Weisen beim ESC wieder für Aufmerksamkeit sorgen würde.



Sonntag, 20. April 2025

ESC 2014-2024 (24/45): Schweden

 Richtig gelesen. Schweden, das eindeutig erfolgreichste ESC-Land seit der Aufhebung der Sprachregelung 1999 kommt in meinem persönlichen Länder-Ranking der Jahre 2014-2024 nur auf Platz 22. Bei etwa jedem zweiten bis dritten ESC-Fan dürfte es eher Platz eins sein. Doch mir mundet der immergleiche, blankgewischte, gefühllose Profi-Pop aus Schweden nicht so wie manch anderem. Auch eine gewisse Arroganz und Attitüde wie "wir brauchen nicht so viel proben wie die anderen Wettbewerber" trägt nicht gerade dazu bei, dass schwedische Beiträge mir sympathischer werden. Der Vorentscheid "Melodifestivalen" ist natürlich mit keinem anderen vergleichbar und jedes Jahr ein Highlight der ESC-Saison. Mein größtes Problem mit Schweden liegt vielleicht darin, dass meistens ein Beitrag gewinnt, den ich innerhalb des Melfests eher weiter hinten in meinem Ranking habe. Ich werde Schweden niemals verzeihen, dass sie das Meisterwerk "En värld full av strider" von Jon Henrik Fjällgren und Aninia 2017 nicht zum ESC geschickt haben. Der 2. Platz des Melfests vom Folgejahr 2018: "Every single Day" von Felix Sandman ist wohl eines der von mir am häufigsten gehörten Lieder mit ESC-Bezug überhaupt. Ich habe es schon oft für viele Stunden am Stück gehört. Es hat mir bei großem Liebeskummer und Depressionen geholfen. Anstelle dieser ESC-Siegersongs gab es in den beiden Jahren für Schweden schleimige, gefühllose Pop-Nummern, die mich auf Dauer noch mehr nerven, als sie mich langweilen. Wenigstens habe ich seitdem nicht mehr die Hoffnung dass ein Beitrag, den ich mag, den schwedischen Vorentscheid gewinnt, und kann so nicht mehr enttäuscht werden (außer 2023). Ehrlich gesagt, rede ich mir nur ein diese Hoffnung nicht mehr zu haben, denn wie Tschechien 2015 richtig festgestellt hat: "Hope never dies". Looking at you Schweden 👀 Trotzdem sind in diesen 10 Jahren einige Perlen aus Schweden beim ESC angetreten:

Platzierung als Nation in meinen Rankings: 22. (32./23./12.)

Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 2. (2014)

Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 40. (2018)

Teilnahmen 2014-2024: 10

Bestes Ergebnis beim ESC: 1. mit 583 Punkten 2023

Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 14. mit 109 Punkten 2021

Die Musik von Marcus & Martinus habe ich schon gehört, bevor die eineiigen Zwillinge 2017 beim ESC die Punkte für Norwegen verkünden durften. Die beiden irgendwann beim ESC als Wettbewerbskünstler zu sehen war da noch ein Wunschtraum. Tatsächlich haben sie damit gewartet, bis sie einen Song hatten, der vorher dagewesenes übertrifft. Mit "Air" wollten sie nicht nur irgendwie zum ESC fahren, sondern gleich den prestigeträchtigen Vorentscheid im Nachbarland Schweden, bei dem alle Stars vertreten sind, gewinnen. In nahezu jedem anderen Jahr wäre das auch gelungen. Ich glaube dass Schweden auch mit "Air" 2023 den ESC gewonnen hätte, doch Marcus & Martinus hatten das Pech im gleichen Jahr wie "Tattoo" von Loreen anzutreten. Platz 2, natürlich wird mein großer Favorit wieder 2. beim Melfest... Den Zwillingen war nach dem Moment der Entscheidung anzusehen wie sehr sie am Boden zerstört waren, mit diesem Megaknaller nicht zum ESC fahren zu können. Im Folgejahr hauten sie den nächsten Kracher raus. Nicht ganz so stark wie "Air", aber immernoch ein absoluter Wahnsinnstrack. Mit "Unforgettable" war beim ESC nicht das möglich, was sie mit ihrem Vorjahrestitel hätten reißen können, aber es reicht für mich aus, sogar "Undo" von 2014 zu schlagen und dafür die schwedische Goldmedaille zu verleihen. Zwar sind Marcus & Martinus 2024 nur mein 5. Platz beim ESC, aber in diesem Jahr habe ich mit der Schweiz, Australien, Irland und Finnland fünf Sieger. In anderen Jahren gibt es nur einen, oder gar keinen Beitrag, dem ich meine persönliche Krone aufsetzen möchte.


"Undo" ist ein schlichtes Lied, das schlicht für sich selbst spricht. Mir ist noch nie jemand untergekommen, der*die nicht den Appeal an diesem Song verstanden hat. Für mich fehlt es ein bisschen an echt anfühlender Emotion in dem Song, damit er ganz an die Spitze der Allzeit-Favoriten treten kann, aber sonst gibt es hier nichts zu meckern. Ein wenig frage ich mich warum das Lied so stark ist. Ich kann es rational nicht erklären. Ist es die Melodie? Es ist einfach so. Entsprechend hat es für 2014 von mir die Silbermedaille hinter Slowenien "Round and round" und vor Lettland "Cake to bake" erhalten und wurde im Contest verdient mit Bronze belohnt.

Der Strahlebub John Lundvik hat mit "Too late for Love" eine Nummer auf die ESC-Bühne gezaubert die überraschend gut fetzt. Daran tragen The Mamas "im Hintergrund" ihren erheblichen Anteil. Das Lied bringt ein fröhlich-empowerndes Gefühl und die Message, dass es nie zu spät für Liebe (und generell nie jemand zu alt für irgendwas) ist, ist wertvoll.

Der Preis für die größte Fashion-Queen (der letzten 10 Jahre beim ESC) geht an Tusse. Der liebenswerte Sänger wertet mit seiner ganzen Person den ohnehin schon herausragend starken Popsong noch weiter auf.

"If I were sorry" ist ein Song, den ich mir scheinbar über die Jahre so richtig schön gehört habe. Inzwischen macht er bei mir richtig gute Laune. Damals zum Wettbewerb war er nicht viel mehr als ein nettes Lied, das ich gerne höre.

Ja, "Tattoo" ist ein guter Popsong, aber für meine Ohren nicht so besonders oder gar innovativ, wie es von vielen anderen gesehen wird. Der Titel spricht mich durchaus an. Andere Musik (beim ESC) spricht mich aber deutlich mehr an.

Mit "Heroes" verhält es sich bei mir ganz ähnlich wie mit "Tattoo", wobei ich Loreens Song noch ein Stück besser finde. Beides sind Lieder die ich nicht schlecht finde, die allerdings auch absolut nichts besonderes für mich sind. Hätten sie bei ESC nicht solche Ergebnisse erzielt, hätte ich beide Nummern wohl fast wieder vergessen. Da "Heroes" ein ESC-Sieger-Song ist, muss ich an dieser Stelle meine Kritik an dessen Staging äußern. Immer wieder höre ich, dass Schweden 2015 auch wegen dem "innovativen" und "starken" Staging gewonnen haben soll. Solche Aussagen kann ich nicht nachvollziehen. Sich vor einen LED Screen zu stellen und so zu tun, als würde man mit diesem in eine Interaktion treten, war 2015 nicht innovativ, sondern ein ausgenudeltes Konzept. Wenn man das nun auf der ESC-Bühne machen möchte, sollte das in einer besonders gut ausgearbeiteten Form geschehen, damit ein überraschender und unterhaltender Effekt erzielt werden kann. Beim Auftritt von Mans Zerlmerlöw ist aber das absolute Gegenteil der Fall. Die Bewegungen von ihm sind nicht synchron mit denen des LED-Screens, wenn er die Ghetto-Faust zur Strichmännchen-Figur macht, bewegt er seinen Arm zu weit, so dass die Illusion zerstört wird. Bei den Schmetterlingsflügeln steht er nicht mittig. Zwischen dem Regenschwall den er mit seinem Arm wegwischen soll, und seinem Arm selbst ist eine große Lücke. An diesen und einigen weiteren Punkten sind seine Bewegungen mit dem LED-Screen schlecht abgestimmt. Das Timing und die Positionierung stimmt fast nie. Wenn ich diesen Auftritt sehe, denke ich mir nicht "ach, wie niedlich, das mit dem Strichmännchen", sondern rege mich die ganze Zeit darüber auf, wie schlecht die Bewegungen ausgeführt sind und dass da nichts zueinander passt. Das hält davon ab, das Lied genießen zu können. Wenn das der Effekt eines Stagings ist, ist es ein schlechtes Staging und entsprechend lautete von Anfang an auch 2015 schon mein Urteil über diesen Auftritt. Wenn man sich für ein solch riskantes Staging entscheidet, bei dem so vieles schief gehen kann, muss man alles bis zur Perfektion proben, damit es später nicht schief geht. Schweden hat hier alles falsch gemacht, was es hätte falsch machen können. Auch deshalb ist es (ähnlich wie "Tattoo") ein Siegerbeitrag, dessen Sieg ich mit nicht mehr als einem Schulterzucken zur Kenntnis nehmen kann.



ESC 2014-2024 (23/45): Österreich

 Unsere deutschsprachigen Nachbarn landen in meinem Ranking der ESC-Nationen 2014-2024 genau in der Mitte auf Platz 23 von 45. Es ist eine Nation die sich bei mir manchmal im Mittelfeld, manchmal etwas weiter unten und manchmal etwas weiter oben platziert. Ein richtiger Charakter Österreichs bildet sich für mich nicht heraus. Jedes Jahr wird etwas anderes zum ESC geschickt. Alles ist möglich in Österreich.

Platzierung als Nation in meinen Rankings: 23. (19./12./37.)

Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 9. (2016)

Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 35. (2015)

Teilnahmen 2014-2024: 10

Bestes Ergebnis beim ESC: 1. mit 290 Punkten 2014

Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 17. im Semi mit 21 Punkten 2019

Im Falle Österreichs ist es eine knappe Entscheidung zwischen fünf Beiträgen, welcher meine Nummer eins des Landes ist. Letztlich ist "Limits" von Paenda ganz vorne. Ausgerechnet dieser Beitrag hat in den letzten 10 Jahren das schlechteste Ergebnis Österreichs eingefahren (wenn wir von den null Punkten als automatischer Finalist 2015 absehen). Bis Heute liegt mir diese wahrliche "Voting Crime" schwer im Magen. Was für ein Unrecht Europa Paenda dort angetan hat! Das Lied ist einzigartig. Der gehauchte Gesang von Paenda, die ganze Zeit an der Kante zu den Tränen, die wunderschön-schmerzhafte Inszenierung auf der Bühne, wie kann man da nicht weinen und dafür anrufen? Es bleibt für mich weiterhin unglaublich wie Paenda es schafft so viel Schmerz in die Stimme zu legen. Ein bedrückender Schmerz, der einen nicht loslässt . genau darum geht es in dem Lied. Es ist eine großartige Verkörperung von lang anhaltendem Schmerz, der auf beeindruckende Weise an die Zuhörenden weitergetragen wird. Eines der für mich wichtigsten Kriterien eines ESC-Beitrages (oder von Musik generell) ist es, wie intensiv die Emotion ist, die dieser in mir auslöst. Dieses Kriterium kann bei diesem Beispiel kaum übertroffen werden. Mit "Limits" habe ich schon viele Tränen vergossen und weitere werden folgen.


Nathan Trent ist die lebensfroheste Person von dessen Existenz ich weiß. Sein Grad an guter Laune in jeder medialen Aufnahme die ich von ihm kenne ist beeindruckend. Und er schafft es auch alle um sich herum damit anzustecken. Welch größere Gabe kann man sich wünschen? Das Lied "Running on Air" ist darauf zugeschnitten. Die Freude in Nathans Auftritt ist Grenzenlos. Das einzige was ihn zurückhält ist scheinbar die festgelegte Choreographie, an die er sich halten muss. Vielleicht wäre hier mehr Freiheit - wie bei Lena 2010 - die bessere Wahl gewesen. Normalerweise bin ich am Tag nach einem ESC-Finale froh, dass ich die immergleiche Musik nicht mehr hören "muss", weil es nach mehreren Monaten irgendwann einfach zu viel wird. Im Falle von Nathan, habe ich ihn und seine Musik nach Ende des ESCs immer mehr schätzen gelernt, weshalb seine Platzierung in meinem Ranking von damals noch nicht so gut war, wie es das Heute sein würde. Wenn ich glücklich sein möchte, es aber nicht bin, brauche ich einfach nur "Running on Air" einschalten und das Glücksgefühl ist da. 😃

"0,003", "Poe poe poe poe poe", und "Edgar cannot pay Rent for me" sind nur wenige, ausgewählte Beispiele von Evergreen-Running-Gags, die Teya & Salena mit "Who the Hell is Edgar?" in der ESC-Bubble geschaffen haben. Dieser ESC-Beitrag ist episch, wie kaum ein anderer. Nicht zuletzt, weil er eigentlich nur ein kleiner Scherz fürs abendliche Lagerfeuer auf einem Songwriting-Camp sein sollte, sich aber zurecht als eine echte Perle herausgestellt hat. Nun sind sich zumindest in der ESC-Bubble alle darüber bewusst wie Streaming-Dienste mit den Künstler*innen umgehen. Damit haben Teya & Salena die Wertschätzung musikalischer Kunst noch ein weiteres Stück gesteigert. Das Vermächtnis dieses ESC-Beitrages ist enorm! Ich höre und singe ihn immernoch häufig. Nur leider ist das Staging eine reine Vollkatastrophe geworden und auch der Live-Gesang ist nicht optimal. Was hier mit einer anderen Live-Performance möglich gewesen wäre...

Powerballaden könnte ich als mein Lieblingsgenre beim ESC bezeichnen. Wenn ein Auftritt es schafft emotional in die Tiefe zu gehen, ein Gefühl ganz nah erlebbar zu machen und dies durch eine gute Melodie und Leidenschaftliche Performance intensiviert, ist alles da, was ich mir von einem ESC-Beitrag wünsche. "Amen" ist eine solche Powerballade. Besonders herausragend finde ich in diesem Fall die Struktur des Liedes: Die verschiedenen musikalischen Phasen, die durchlaufen werden und die gelungenen Übergänge dazwischen. Es ist eine emotionale Achterbahnfahrt, bei der man einsteigt, zwischendurch nicht denken kann, und wenn man wieder aussteigt wundert man sich dass es schon vorbei ist, hat aber kein schlechtes Gefühl, sondern ruft erfüllt: "Jawoll, ist das toll!"

Französisch klingt bereits in gesprochener Form wie Musik für mich, umso schöner wird die Sprache, wenn sie sogar gesungen wird. So haben es französischsprachige Beiträge in meiner Gunst deutlich leichter als andere. Zudem ist es ein zauberhafter Auftritt den Zoe auf die ESC-Bühne gebracht hat. Jedes Mal, wenn ich mir "Loin d'ici" anschaue, fühle ich mich wie eine Elfe, die durch eine malerisch bunte Blumenlandschaft fliegt, in der alle Lebewesen magisch sind und überall Süßigkeiten wachsen.

"Halo" ist so eine fetzige Nummer! Als ich es zum ersten Mal hörte, konnte ich meinen Ohren kaum glauben! Leider hat hier die Live-Version, die ich schließlich bewerten muss, vieles kaputt gemacht. Und erneut muss ich bei Österreich schreiben: "Was hier mit einer anderen Live-Performance möglich gewesen wäre...", aber das wissen bei diesem Beitrag alle Beteiligten schon selber.

Der Auftritt und Sieg von Conchita Wurst hat die Welt ein gehöriges Stück weit verändert. Ich bin mir über die Wirkungen, die der ESC-Finalabend 2014 für queere Menschen hatte bewusst. Ich weiß, dass auch ich dadurch profitiere, weiß, dass Europa und auch der übrige Teil der Welt dadurch zu einem weniger diskriminierenden Ort für queere Menschen geworden ist. All das kann man gar nicht genug wertschätzen. Dieser 13-minütige Kurzfilm mit dem Titel "12 Points", um Conchitas ESC-Sieg, den ich mir schon oft angesehen habe, portraitiert einen Teil der Wirkung dieses ESC-Sieges gut. Allerdings ist der Hauptaspekt eines ESC-Beitrages das Lied, die Komposition. Und die finde ich gar nicht so toll wie die meisten anderen Menschen. Ich halte "Rise like a Phoenix" nicht für einen schlechten Song. Bei mir kommt musikalisch aber bei weitem nicht so viel an, wie bei vielen anderen ESC-Beiträgen. Mein 13-jähriges Ich mochte die Drag Queen Conchita Wurst, aber das Lied hat mir viel zu wenig gebracht und so hat es - trotz allem - damals in meinem Ranking nur für Platz 26 gereicht. Mir war es also egal, ob "Rise like a Phoenix" knapp im Halbfinale ausscheidet, oder im Finale letzter wird. Ohne Conchita in diesem Beitrag wären es noch einige Plätze weiter unten gewesen. Und doch war ich froh über diesen Sieg. Weil er den Sieg der Niederlande verhindert hat, und weil es etwas mit mir gemacht hat, zu sehen, dass so eine Person europaweit von so vielen Menschen gefeiert wird. Dass es vielleicht doch an irgendeinem Ort möglich ist, schöne Kleider zu tragen, auch wenn man das Pech hat, ein Junge oder Mann sein zu müssen. Um näheres über mich zu begreifen, war ich damals noch zu jung, in einer heteronormativen Welt. Es ist nicht in Worten zu beschreiben, wie sehr ich Tom Neuwirth/Conchita Wurst und sein handeln und wirken wertschätze. Und dennoch kommt Conchita in der Wirkung auf mich nicht ansatzweise an die Wirkung von Nemos ESC-Sieg heran. Letztlich fühle ich in der Regel gar nicht so viel, wenn ich mir Conchitas Auftritt anschaue und deshalb würde ich den Beitrag auch Heute vermutlich nicht viel höher ranken als damals. Tom Neuwirth als Künstler soll das aber nicht schmälern.



Samstag, 19. April 2025

ESC 2014-2024 (22/45): Norwegen

 Nun habe ich mich doch noch dazu entschieden, dieses Projekt nach einer langen Pause fortzuführen. Ich möchte es bis zum ESC 2025 abschließen. Norwegen ist als nächstes an der Reihe - ein Land, auf das immer zu zählen ist, wenn es um die Produktionsqualität der Beiträge geht.

Platzierung als Nation in meinen Rankings: 24. (21./14./34.)

Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 7. (2023)

Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 33. (2022)

Teilnahmen 2014-2024: 10

Bestes Ergebnis beim ESC: 5. mit 268 Punkten 2023

Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 13. im Semi mit 63 Punkten 2016

Mit "Queen of Kings" hat Norwegen sich in seiner Produktionsqualität selbst übertroffen. Alles an diesem Beitrag, Alessandras Ausstrahlung, die Kostüme, die Kameraführung, der Einsatz der Technik, die Choreographie und allen voran natürlich die Musik, ist auf einem Produktionsniveau das für sich spricht und das Top-Ergebnis für diesen Beitrag beim ESC verdient macht. Denjenigen, die sich den ESC nicht anschauen und sagen das sei alles nur Trash dort, braucht man nur diesen Auftritt zeigen und sie verstummen. Selbst diejenigen, denen diese Musik nicht gefällt, erkennen die Qualität dieses Beitrags an. Für mich intensiviert der queere Empowerment-Hintergrund des Songs das Hör- uns Seh-Erlebnis noch weiter. Es ist das Beste was Norwegen in den letzten 10 Jahren zum ESC geschickt hat.


"A Monster like me" ist eines der ESC-Lieder die ich nach mehreren Jahren noch am häufigsten höre. Erst einige Zeit nach dem ESC 2015 habe ich entdeckt, wie sehr ich dieses Lied mag. Es ist eines der Songs, die ich am liebsten selber als Cover singe - von allen mir bekannten Nummern, auch außerhalb des ESCs. Das liegt u.a. daran, dass es ganz gut zu meiner Stimmlage passt und ein Duett ist. Aber auch das musikalische packt mich mit der Zeit immer mehr. Zur Zeit des Wettbewerbs habe ich noch nicht den Schmerz verstanden, den dieses Lied trägt. Mir gefällt auch, dass es ein spezifischeres Gefühl ist, als der oft besungene einfache Liebeskummer. Vielleicht war ich mit 14 zu jung dafür. Das ziehe ich als einen von mehreren möglichen Gründen in meiner Erklärung heran, warum ich das Lied zur Wettbewerbszeit noch nicht so sehr genoss, wie ich es inszwischen tue.

"Silent Storm" ist eine wundervolle Ballade, wie man sie hören und sehen will beim ESC. Auch, weil es eine Ballade ist, wie man sie noch nicht gehört hat - musikalisch und inhaltlich. Dieser Auftritt hat meiner Meinung nach die beste Geigeninszenierung in der ESC-Geschichte. Es ist insgesamt ein Auftritt, der meiner Erfahrung nach auch Casual Viewern über Jahre gut in Erinnerung geblieben ist und das wundert mich nicht.

Ein einzigartiges Gesamtkunstwerk hat Norwegen mit "Ulveham" an 200 Millionen Zuschauende gebracht. Doch das Beste daran ist kein künstlerischer Aspekt, sondern wie mitreißend dieser absolute Banger ist. Nach dem Hören brauche ich immer erstmal einen Moment um mich davon zu erholen.

Ich liebe die geniale Melodie von "Fallen Angel"! Hinzu kommt eine Augenweide an Inszenierung auf der Bühne. Auch die liebenswerte Art von Tix macht den Beitrag sympathisch.

An "Spitir in the Sky" mag ich am meisten den Sami-Gesang, er ist ein schwacher Trost für mich, dass Jon Henrik Fjällgren aus Schweden bis heute nicht auf der ESC-Bühne stand.

"Grab the Moment" hat sich ein wenig als ein Ohrwurm bei mir festgesetzt. Häufig habe ich Momente, in denen ich mir sage "genieße das, was jetzt ist. Es wird vergehen". Seit 2017 ist mein nächster Gedanke darauf "Grab the Moment".

Was Norwegen zum ESC schickt hat Qualität, keine Frage. Mir fehlt bei all dieser Professionalität aber oft das gewisse Etwas, weshalb es in meinen persönlichen Rankings nicht für bessere Platzierungen reicht. Wenn Norwegen so weiter macht, und auf weitere große Experimente beim Norge Melodi Grand Prix verzichtet, ist dem Land ein dauerhaft gutes Abschneiden fast sicher und die Chance da, in den nächsten Jahren immer wieder ein Top-Ergebnis beim ESC abzustauben - vielleicht sogar einen Sieg. Es wäre nicht ganz unverdient.



Samstag, 1. März 2025

Chefsache ESC 2025 Finale - Die beste Wahl für Deutschland?

 Heute Abend um 20:15 Uhr wird das Finale des deutschen Vorentscheides zum 69. Eurovision Song Contest 2025 in den EMG Studios in Hürth ausgetragen. Übertragen wird die Show im Ersten Deutschen Fernsehen, auf One, und online auf Eurovision.de, in der ARD Mediathek und für internationale Zuschauende auf dem YouTube Kanal vom ESC. In diesem Blogbeitrag möchte ich auf die Chancen der neun Finalbeiträge eingehen - in diesem Vorentscheid und beim ESC. Dabei berücksichtige ich vor allem Reaktionen aus dem Ausland, auf die bisherigen drei Chefsache Shows. Vorweg möchte ich klarstellen dass es beim ESC um das Feiern und Wertschätzen von Kunst geht und das auch für diese Finalisten gilt. Der ESC ist aber ein Wettbewerb und wenn Stefan Raab das Ziel gesetzt hat den ESC zu gewinnen, müssen wir die Beiträge mit anderen in den Vergleich setzen und dabei ehrlich sein. Ich freue mich bei allen Beiträgen über den künstlicherischen Wert, doch nicht alle haben gute Aussichten auf Erfolg beim ESC.

Das sind die neun Finalisten im Schnelldurchlauf:


Starten wir mit "Lovers on Mars" von Lyza. Viele sehen darin einen Wettbewerbsbeitrag, der genauso gut bei den schwedischen Melodifestivalen laufen könnte, dem wohl stärksten ESC-Vorentscheid. Das ist erstmal ein großes Kompliment, allerdings ist man sich auch einig, dass dieser Titel wohl eher auf den hinteren Rängen des Melfests landen würde. Er verkörpert leider auch genau das, was seit vielen Jahren am stärksten am deutschen Vorentscheid kritisiert wird: Radiotauglicher Massenpop, den man schon viel zu oft in viel besser gehört hat. Damit lässt sich beim ESC Heutzutage nicht mehr viel holen. Ich bin kein Freund davon, musikalisch ähnliche Beiträge miteinander zu vergleichen und zu behaupten dass ähnliches auch ähnlich abschneiden würde, denn von jeder musikalischen Art gibt es Beiträge beim ESC die großen Erfolg feierten und andere, die komplett abschmierten. Trotzdem möchte ich in diesem Artikel ein paar Vergleiche zu vorherigen ESC-Titeln ziehen, bei denen ich mir ein ähnliches Szenario vorstellen kann. Bei "Lovers on Mars" ist mein Vergleichsbeitrag "Ghost" von Jamie-Lee, Deutschland 2016. Ein solider Popsong mit einer individuellen Performance, den niemand schlecht findet. Die Sängerin hat eine gute Stimme und eine professionelle Bühnenausstrahlung mit Persönlichkeit. Aber letzten Endes ist es nur ein uninnovativer, belangloser Popsong, der auf dem letzten Platz mit 11 Punkten endete und um den kaum jemand traurig ist, dass die Rote Laterne diesen Song getroffen hat, weil es einfach nur ein Song ist - nichts Besonderes. All das trifft auch auf "Lovers on Mars" zu und ich fürchte dass es beim ESC in der Masse untergehen und vergessen werden würde. Beim deutschen Vorentscheid ist diese Masse nicht so groß und angesichts der Konkurrenz würde der Titel sicherlich einige Anruferstimmen einbringen, sofern er denn ins Super-Finale kommt. So halte ich es für durchaus möglich, dass "Lovers on Mars" heute Abend gewinnt.

Im wohl größten internationalen Fan-Voting auf MyEurovisionScoreboard liegt "Lovers on Mars" unter den neun Finalisten auf Platz 3. Bei mir persönlich ist es die #6 der neun. Meine Prognose des Beitrags beim ESC: Platz 18 bis 26.

Die Band The Great Leslie galt als einer der Top-Favoriten, als die 24 Acts verkündet wurden, die beim deutschen Vorentscheid live performen dürfen. Mit interessanten Persönlichkeiten auf der Bühne und einer Stimmfarbe mit Wiedererkennungswert, gibt die Band sowohl einen sympathischen, geerdeten Eindruck, als auch einen mit Superstar Potential ab. Nachdem aber klar wurde mit welchem Song The Great Leslie antritt, fielen die Chancen in den Keller. Manchmal ist es so einfach wie in diesem Beispiel: Der Song ist schlichtergreifend viel zu schwach. In internationalen Reaktionen darauf würdigen ESC-Fans die Band und ihren Auftritt, sind sich aber einig dass dem Song alles fehlt, was ein ESC-Titel braucht. Vielleicht würde die Band als Solche noch von wenigen, einzelnen Jurymitgliedern mit Trostpunkten für das Potential beschenkt werden. Im Vereinigten Königreich, Irland und Australien könnten sogar ein paar Leute dafür anrufen. Außerhalb davon haut das aber niemanden so sehr vom Hocker, dass es in Basel als der eine persönliche Favorit auserkoren wird. Vielleicht tritt The Great Leslie in einem anderen Jahr mit einem besseren Song an. In diesen Tagen wird "These Days" wohl kaum genügend Anrufe erhalten, um bei Chefsache ESC am Ende ganz vorne zu landen.

Das internationale Fan-Voting spiegelt Dies mit dem 8. Platz. Ich habe den 7. Platz dafür übrig. Meine ESC-Prognose: Platz 23-26.

Cosby erfüllt in etwa das, was sich von The Great Leslie erhofft wurde. Die Band bringt optisch einen interessanten Auftritt, auch wenn das Staging des Halbfinals von einigen noch kritisiert wird; Die Bandmitglieder wirkten nicht wie eine Einheit. Der Song "I´m still here" wirft musikalisch einen etwas anderen Ton an, als das was beim ESC übrlicherweise läuft und kann damit zunächst das Interesse der Zuschauer gewinnen. Der Song ist stimmlich sehr gut performt und hat eine interessante Struktur mit vielen verschiedenen Phasen und Momenten. Ein Höhepunkt reiht sich an den anderen, es kommt immer ein wenig etwas Neues und wird bis zum Ende nicht langweilig. Hinzu kommt eine überdurchschnittlich starke Message mit relativ leicht zu verstehendem Text. Es ist ein Auftritt mit dem Deutschland in Basel keinesfalls schlecht aussehen würde. Für den ganz großen Wurf ist das Gesamtpaket aber dann doch zu wenig. Da hat es in der Vergangenheit schon sträkere Band-Auftritte mit ähnlicher Musik beim ESC gegeben. Heute Abend sehe ich gute Chancen auf einen Sieg von Cosby.

Im internationalen Fan-Voting liegt Cosby auf Platz 2. Auch von mir gibt es den 2. Platz unter den Finalisten. Meine ESC-Prognose: Platz 13-22, mehr Punkte von der Jury als vom Publikum.

Benjamin Braatz erinnert mit seinem Auftritt zu "Like you love me", ähnlich wie The Great Leslie, auch an die britische Musikszene vor einigen Jahrzehnten. Aserbaidschan hat vor zwei Jahren ähnliches beim ESC versucht, wie es nun Benjamin tut. Die Zwillinge Tural und Turan haben mit einem gewissen Niedlichkeitsfaktor in Liverpool, auf den Spuren der Beatles, mit ihrem Liedchen über ein spezielles Liebesgefühl jedoch nur Platz 14 im Halbfinale (4 Punkte) erreicht und damit das Finale verpasst. Leider müssen wir bei Benjamin Braatz ähnliches erwarten, auch wenn die Jury vielleicht noch ein wenig nachhelfen könnte, die im Halbfinale 2023 nach den Regeländerungen nicht abstimmen durfte. "Like you love me" hat nur ganz wenige Fans. Für die meisten ist das Lied einfach zu langweilig. Sollte es heute Abend das Televoting erreichen gehe ich dort von einem letzten Platz aus. Auch wenn der große weiße Stuhl an die "Liebe ist für alle da" Performance von Leonora aus Dänemark 2019 erinnert, hatte Leonora einen anderen Charme und eine packendere Melodie zum Schunkeln, die deutlich mehr Herzen erreichen konnte. "Love is Forever" belegte in Tel Aviv Platz 12. Mein erster Gedanke ging beim Halbfinalauftritt an "Me and My Guitar", Belgien 2010. Allerdings kommt Benjamin leider bei Weitem nicht an dieses Meisterwerk heran, das beim ESC mit Platz 6 belohnt wurde. Und auch die vielen Vergleiche mit dem unschuldigen Finnen, der 2011 vor einem überdimensionalen Planeten "Da da dam" trellerte hinken im Niedlichkeitsfaktor. Auch Dieser erreichte beim ESC nur Platz 21, obwohl er vielen bis Heute gut in Erinnerung bleibt.

Im internationalen Fan-Voting liegt "Like you love me" unter den Finalisten auf dem 9., also letzten Platz. Ich mag das Lied und den Auftritt und vergebe Platz 3 im Finale. Meine ESC-Prognose: null Punkte vom Publikum, maximal ein paar wenige Punkte von der Jury. Vielleicht letzter Platz.

Der Song "Empress" von Julika klingt im Schnelldurchlauf zwar wie eine solide ESC-Nummer, hat aber keinerlei Höhepunkt, keine "Hook-Line", wie es in der Show schon hieß. Es fehlt der Grund dafür anzurufen und wenn wir ehrlich sind, fehlt auch das Gewisse Etwas. Das Staging wird von manchen als hochwertig bewertet. Andere sagen dass dort nichts zusammenpasst und auch nicht zum Song. Ich schätze in Basel würde sich niemand für diesen Beitrag interessieren. Auch schätze ich die Chancen für heute Abend eher gering ein, mit dem Sieg herauszugehen. Ich sehe was dieser Beitrag eigentlich sein soll, was die Künstlerische Vision war, die ist aber leider auf ganzer Linie nicht erreicht wurden.

Im internationalen Fan-Voting ist "Empress" auf Platz 5. Bei mir reicht es nur für Platz 8 der Finalisten. Meine ESC-Prognose: 25.-26. Platz.

"This Bliss" von Leonora schreit nach der Kombination aus Black Smoke (Deutschland) und The Makemakes (Österreich). Beides endete 2015 mit null Punkten. Der Song mag künstlerisch wertvoll sein, aber dafür ruft beim ESC Heute niemand mehr an. Auch fünfköpfige nationale Jurygruppen bewerten das nur mit Platz 15-20 = null Punkten. Mit diesem Auftritt würden wir uns sicherlich nicht blamieren, aber er wäre aus meiner Sicht ganz eindeutig die schlechteste Wahl, wenn es um das Ergebnis geht. Ich glaube dass Stefan Raab darin etwas von seinem ESC-Beitrag mit Max Mutzke, "Can`t wait until tonight" sieht. Aber das was den Appeal von Max' Auftritt in Istanbul 2004 ausmacht, fehlt hier. Außerdem hat sich der ESC in diesen 21 Jahren verändert. Den 8. Platz von Max können wir damit nicht wiederholen. In einem möglichen Televoting heute Abend sehe ich den Titel auch weitestgehend chancenlos. Ich glaube hier verhält es sich ähnlich wie mit "Empress"; Die künstlerische Vision ist erkennbar, wurde aber nicht erreicht.

Im internationalen Fan-Voting belegt "This Bliss" Platz 7 unter den Finalisten. Bei mir ist es der letzte Platz. Meine ESC-Prognose: "I'm sorry Germany, zero points overall"

Moss Kena hat als Einziger im Halbfinale bei mir einen richtig magischen Moment erzeugen können. Drei Minuten das Publikum zu fesseln und es dann mit Begeisterung zurücklassen, wer das schafft landet beim ESC weit vorne, denn dann haben Zuschauende den Impuls dafür anzurufen und auch die Jury lässt das nicht kalt. Auch viele andere schildern, diesen Effekt bei dieser Ballade zu haben. Andere finden den Titel einfach nur langweilig, aber das ist der Normalfall bei Balladen, auch bei denen, die den ESC gewinnen. Derzeit stehen 23 der 37 Teilnahmebeiträge für Basel öffentlich fest. Bislang haben wir ungefähr drei Balladen im Jahrgang, von denen womöglich nicht alle ins Finale kommen werden. Die Zuschauer, die den ganzen Abend auf schöne Balladen warten, würden mit "Nothing can stop Love" endlich erlöst und verzaubert werden. Außerdem könnte es sein, dass sich Jurypunkte, die tendenziell eher an Balladen, als an Uptempo-Songs gehen, dieses Jahr auf weniger Beiträge verteilen und mehr für Moss Kena rausspringt. Es könnte vielleicht gar nicht so verkehrt sein, diese Nummer nach Basel zu schicken. Vielleicht würden wir damit am meisten Punkte einsammeln. Ich denke dass dieser Titel heute in einem Televoting realistische Chancen auf einen Sieg hätte, obwohl sich scheinbar viele Deutsche daran stören, dass Moss Kena nicht gut deutsch spricht.

Im internationalen Fan-Voting belegt "Nothing can stop Love" Platz 6. Es ist mein persönlicher Favorit unter den Finalisten. Meine ESC-Prognose: Bei den Jurys: Platz 5-16, insgesamt: Platz 10-20.

Feuerschwanz ist seit Jahren im Gespräch für Deutschland zum ESC zu fahren. Nun sind sie endlich im deutschen Vorentscheid. Nur sind die meisten Feuerschwanz-Fans sehr enttäuscht, denn der Song "Knightclub" wird als einer der schwächsten im langjährigen Repairtoire der Mittelalter-Band gesehen. Deshalb wünsche ich mir für Feuerschwanz, dass sie in einem anderen Jahr mit einem besseren Song zum ESC fahren. Ob die vielen Feuerschwanz-Fans heute Abend trotzdem für ihre Band abstimmen werden ist unklar. Nach der Prognose vieler, wird Feuerschwanz heute Abend gewinnen, alleine schon aufgrund der viel größeren Fanbase, als die aller anderen Finalisten. Hinzu dürften eine Menge Anrufe kommen, von "Casual Viewern", die das für einen guten Versuch beim ESC halten, wegen der auffälligen Outfits und weil es kein typischer Radiopop ist, wie sonst beim deutschen Vorentscheid. Andere fühlen sich mit Blick auf den letzten Platz von Lord of the Lost vor zwei Jahren abgeschreckt, für Feuerschwanz anzurufen. Doch ich denke dass diese beiden Beiträge sehr unterschiedlich sind und auch anders funktionieren. Nur funktioniert "Knightclub" aus meiner Sicht nicht wirklich. Es gibt eine wirklich gute "Hook-Line" ("Fight me in the Knightclub"), aber leider bietet der Song nicht mehr und der Ohrwurmfaktor von anderen Feuerschwanz-Titeln ist auch deutlich höher. Insgesamt ist das Musikalische einfach zu schwach um in Europa einzuschlagen. Aus diesem Grund (nicht wegen Ähnlichkeiten zu Lord of the Lost), fürchte ich, wird es kein gutes Ergebnis hierfür in Basel geben.

Stefan Raab hat zwischen dem Halbfinale und Finale kurzfristig die Regeln geändert. Im Finale wird die Jury zunächst noch einmal vier Beiträge aussortieren, nachdem alle neun Songs, sowie neun Coversongs performt wurden. Erst danach kann das Publikum über die übrigen fünf Beiträge abstimmen. Es ist eindeutig, dass dies ursprünglich anders geplant war. Ich folge der populären These, dass Stefan Raab die Regeln entsprechen änderte, um Feuerschwanz für die Einschalt-Quote mit ins Finale nehmen zu können, dort dann aber rausschmeißen kann, damit sie nicht gewinnen, weil er merkt, dass der Song doch zu schwach ist. Ich wünsche mir auch dieses Szenario. Für Deutschland beim ESC und für Feuerschwanz - damit sie in einem anderen Jahr mit einem viel besseren Song den ESC rocken.

Im internationalen Fan-Voting wird der Song auf den 4. Platz gewählt. Bei mir ist es Platz 5 unter den Finalisten. Meine ESC-Prognose: Platz 22-26, vielleicht null Punkte von der Jury.

Der große Favorit heute Abend ist "Baller" von Abor & Tynna. Es ist der einzige Song der international nennenswert Anklang findet, auch wenn dieser begrenzt ist. Deutsche ESC-Fans betteln in den Sozialen Medien andere ESC-Fans an für "Baller" abzustimmen um Deutschland zu retten, denn man darf auch aus dem Ausland abstimmen. Wie das geht, wird wohl erst in der Show selbst erklärt. Ich halte es auch für das wahrscheinlichste Szenario dass "Baller" heute das Televoting gewinnt, sogar wenn Feuerschwanz ins Televoting gelassen wird. Ich glaube auch dass wir damit die größten Chancen beim ESC haben, würde mir aber SEHR wünschen, dass Stefan Raab den Song noch einmal einem Revamp unterzieht, das live auf der Bühne funktioniert. Sonst könnte es uns so gehen wie Österreich 2022, die mit "Halo" vom DJ LUM!X als einer der Favoriten auf den Sieg galten - bis der Song erstmals live performt wurde. Schlussendlich reichte es nicht einmal fürs Finale. Auch das Staging von "Baller" muss komplett neu gestaltet werden, aber dafür ist ja noch Zeit. Wie der überarbeitete Beitrag dann in Basel abschneiden würde, finde ich schwierig vorherzusagen. Aber eine Chance auf viele Punkte haben wir wohl am ehesten hiermit.

Im internationalen Fan-Voting ist "Baller" mit deutlichem Abstand auf Platz 1. Bei mir persönlich ist es der 4. Platz unter den Finalisten. Meine ESC-Prognose: 8.-26. Platz (genauer kann ich`s derzeit nicht machen)

Stefan Raab wird sicherlich scheitern mit seinem Ziel den ESC dieses Jahr zu gewinnen. In den Wettquoten um den Sieg ist Deutschland seit der ersten Show von Chefsache ESC von Platz 10 auf Platz 23 gefallen, mit inzwischen nur noch 1% Wahrscheinlichkeit auf den Sieg. Das spiegelt auch die internationalen Reaktionen auf die Shows wider. Ich bin enttäuscht von Stefan Raab. Nicht weil er nicht gewinnen wird, sondern weil er nicht an den Songs mitwirkt. Dass wir wahrscheinlich nicht den ESC-Siegersong unter 3.800 Bewerbungen haben werden war doch klar. Raab kann Songs produzieren - und das sehr erfolgreich - in vielen verschiedenen Musikrichtungen. Warum hat er nicht selbst Hand angelegt? Das hatte ich mir unter "Chefsache ESC" vorgestellt. War es die falsche Entscheidung vom NDR sich das Diktat von Stefan Raab heran zu holen? Nein. Es ist das letzte Jahr des NDR und seit mehreren Jahren bettelt der NDR förmlich darum, den ESC endlich an eine andere Rundfunkanstalt abgeben zu dürfen. Wir hätten nicht viel zu erwarten gehabt vom NDR in diesem Jahr, also war es den Versuch wert an Stefan Raab abzugeben. Dieser hat sich aber in den bisherigen drei Shows mit seinen Kommentaren und Entscheidungen so präsentiert, dass er nicht viel Ahnung vom ESC und dem heutigen ESC hat. Ich hoffe dass dieses Format nächstes Jahr nicht wiederholt wird. Und ich hoffe dass From Fall to Spring endlich eine verdiente Chance bekommt zum ESC zu fahren. Für heute Abend wünsche ich allen Acts gutes Gelingen.

Sonntag, 2. Juni 2024

ESC 2014-2024 (21/45): Finnland

Finnland landet bei mir entweder weit unten, oder weit oben. Ein Dazwischen scheint es nicht zu geben. Entsprechend gespalten ist auch mein Gefühl zu diesem ESC-Land.

Platzierung als Nation in meinen Rankings: 25. (37./27./9.)

Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 3. 2018

Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 40. 2015

Teilnahmen 2014-2024: 10

Bestes Ergebnis beim ESC: 2. mit 526 Punkten 2023

Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 17. im Semi mit 23 Punkten 2019

Als "No Rules!" den Vorentscheid gewann - obwohl es nicht als Favorit galt - habe ich mich riesig gefreut, denn ich wusste dass es damit in dem Jahr einen Beitrag geben wird, der für mich ein würdiger (persönlicher) ESC-Sieger ist, egal was die anderen Länder machen. Dieser Song ist für mich in erster Linie eine ultra starke Komposition. Mir fällt kein Stimmungsmacher ein, der mehr Stimmung macht, als dieser. Kein Stimmungsmachersong versetzt mich so sehr in Ekstase wie dieser. Diese Komposition hat aus meiner Sicht einen ESC-Sieg, oder einen zweiten Platz, verdient. Nebenbei liefert das Duo eine originelle Bühnenshow ab, mit der sie die Hütte abreißen. Es ist ein epischer Beitrag der ESC-Geschichte. Obwohl der Song vor allem ein Stimmungsmacher ist (und was für einer!), hat er eine berührende Message, die auch optisch umgesetzt ist. Widersetze dich dem, was die Gesellschaft von dir erwartet. Mache das, was du möchtest, was dich glücklich macht, egal ob andere das komisch finden, denn nur dann kannst du frei und glücklich leben. Wie der Text im Detail geschrieben ist, ist für mich besonders berührend und kraftschenkend. Der Jahrgang 2024 wurde so stark, dass ich "No Rules!" am Ende nur auf Platz vier setzen konnte, aber es wäre ein würdiger ESC-Sieger, mit allem was einen Solchen ausmacht. Es ist mein Lieblingsbeitrag aus Finnland.


Ich liebe Saara Aalto als Sängerin. Als ich erfuhr, dass YLE einen Vorentscheid, ausschließlich mit Liedern von Saara Aalto plante, ging für mich ein Wunschtraum in Erfüllung. Ich liebe auch alles an dem Song "Monsters" an sich. Die Monster unter dem Bett haben eine symbolische Bedeutung, in die alle ihre eigenen "Monster unter dem Bett", die einem Angst machen, hineininterpretieren könnnen, die sie nun überwunden haben. Auch das Staging ist phänomenal geworden. Am Ende reichte der Beitrag für meine Bronzemedaille des Jahres, ganz nah an der Silbermedaille, aber nicht für meine #1 aus Finnland.

Außerhalb des ESCs höre ich keinen Rock, und doch punkten einige Rocksongs beim ESC in meiner Gunst ganz besonders gut. Wenn ich "Dark Side" höre, fühle ich mich für drei Minuten ein bisschen wie ein eingefleischter Rock-Fan. Es geht beim ESC nicht um das Genre, sondern darum, wie gut das, was es sein soll, umgesetzt ist - und das ist es bei diesem Beitrag ganz hervorragend.

Ein wunderschöner Herzschmerzsong ist "Blackbird". Am Fenster des Lyrischen Ichs sitzt seit jeher ein schwarzer Vogel, der singt. Er singt auch, wenn der Geliebte des Lyrischen Ichs an dessen Seite in dessen Bett liegt und das Herz des Lyrischen Ichs singt. Doch nun ist der Geliebte weg. Er kommt nie wieder. Das Lyrische Ich wird nie wieder das haben, was so schön war. Der schwarze Vogel ist geblieben und sein Gesang erinnert das Lyrische Ich immer wieder und wieder an diese schmerzhaft-schönen Erinnerungen, nach denen es sich sehnt, die es aber nie wieder erreichen kann. Dieser Pianosong mit modernen Klängen vermittelt dieses spezifische Gefühl so, dass mir die Tränen in die Augen schießen. Warum mich das zum Zeitpunkt des Wettbewerbs noch weitgehend kalt gelassen hat, ist mir Heute ein Rätsel.

Die Weltstars The Rasmus treten für den ESC an. Nicht mit dem Besten, aber mit einem der besten Songs aus ihrem Repertoire. Es ist ein Song über die auffällige Frau "Jezebel", die mit ihrem Auftreten alle Blicke in ihren Bann zieht. Die Inszenierung auf der Bühne ist besonders gut gelungen und bleibt im Kopf. Ich wundere mich immernoch darüber, wie The Rasmus mit so einem Banger ein verhältnismäßig schwaches Ergebnis erhalten konnte.

Kürzlich hat sich Finnland einen Vorentscheid erarbeitet, der zu Recht als einer der Vorzeigevorentscheide betrachtet wird. Das ist YLE durch viel gezielte Arbeit gelungen. Ich freue mich darauf, was für hochwertige Musikstücke uns dieser Vorentscheid in Zukunft bringen wird, denn bei Uuden Musiikin Kilpailu werden nicht nur die Siegertitel zu Fanfavouriten, sondern auch viele weitere Beiträge. So konnte aus dem fünften und dem letzten Platz(!) des letztjährigen Vorentscheids die aus meiner Sicht beste und epischste Eröffnungsnummer einer Show der diesjährigen Vorentscheidssaison gebastelt werden. Das unterstreicht die neue Qualität des finnischen Vorentscheides.

Mein Ranking der finnischen Beiträge 2014-2024:


Samstag, 1. Juni 2024

ESC 2014-2024 (20/45): Nordmazedonien

Nordmazedonien wird beim ESC mit Montenegro in einem Atemzug genannt. Beide Länder haben ganz ähnliche Umstände um ihre Beiträge für den ESC. Dennoch finde ich, dass Nordmazedonien aus seinen Möglichkeiten viel mehr macht, als Montenegro. Erst recht unter Anbetracht der geringen Möglichkeiten von Nordmazedonien, ist der 26. Platz in meinem Ranking beachtlich.

Platzierung als Nation in meinen Rankings: 26. (17./25./32.)

Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 6. 2019

Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 34. 2014

Teilnahmen 2014-2024: 8

Bestes Ergebnis beim ESC: 7. mit 305 Punkten 2019

Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 18. im Semi mit 24 Punkten 2018

"Proud" war 2019 schon die ganze Saison über einer meiner Favoriten. Ich freue mich sehr, dass andere diesen Beitrag zu den Proben auch entdeckt haben. Noch mehr freue ich mich über den verdienten Sieg des Juryvotings. Nordmazedonien gewinnt das Juryvoting! Nordmazedonien, das Land, das seit 2012 nicht mehr im Finale war. Nordmazedonien, das Land, das noch nie die Top 10 erreichen konnte. Dieses Nordmazedonien gewinnt mit einer simpel, aber genial inszenierten Ballade das Juryvoting! Selbst fünf Jahre später finde ich das noch unglaublich. Das war für mich damals der beste Beweis dafür, dass jedes Land den ESC gewinnen kann, auch mit wenig Geld, es braucht dafür nur gute Kunst.

Tamara Todevska singt darüber, wie Mädchen immerzu erzählt wird, wie sie sich zu benehmen hätten, wie sie schließlich dazu gebracht werden sich einzuschränken und von anderen abhängig zu werden. Der Fokus des Liedes liegt auf dem Stolz, den Tamara den Zuhörenden geben möchte, das zu überwinden. Selbstbewusst und stark zu werden und zu sein. Anderen zu zeigen, dass sie mit diesen Geschlechterzuordnungen falsch liegen. Dieser Stolz wird von diesem Auftritt verkörpert, wie kein anderer. Ich spüre ihn bei jedem Hören des Liedes, er ist so kraftvoll. Dazu trägt Tamara auf der Bühne die Farben des Feminismus. Es ist ein Beitrag der nichts Geringeres, als zu Recht ESC-Geschichte geschrieben hat, und obwohl ich nichts mit Nordmazedonien zu tun habe, bin ich sehr stolz darauf.


Mit "Dance alone" wurde Nordmazedonien 2017 erstmals die Chance auf eine Top 10-Platzierung zugemutet. Es ist einer dieser vielen Songs, darüber, was Musik emotional in einem alles auslösen kann, wenn man sie alleine hört. Das ist nichts Neues, aber trotzdem sehr gut und im Musikvideo mit einer neuen, berührenden Komponente umgesetzt. Letztlich scheiterte der Erfolg vor allem am schlechten Staging, was wiederum vor allem am fehlenden Geld lag. Und so mag auch ich den Beitrag sehr, aber für was richtig Großes fehlt einiges.

Am 12. November 2014 sah ich mit dem "Skopje Fest" meinen ersten nationalen Vorentscheid außerhalb Deutschlands. Ich schaute ausländisches Fernsehen, dessen Sprache ich kein bisschen verstand. Es war kein hochwertiger Vorentscheid, aber ich hatte Gefallen daran. Es gab mir das Gefühl, etwas zu tun, was mich mit anderen Kulturen verbindet, und dass ich diese Kulturen zelebriere. Aus diesem Vorentscheid ging der ESC-Beitrag "Autumn Leaves" hervor. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass ich diesen Beitrag bis Heute vor allen verteidige, die ihn als schlecht abtun. Vielleicht ist es auch wirklich der instrumentelle Teil des Songs, den ich gut finde. Auf jeden Fall denke ich bei diesem Beitrag immer an die Erfahrung meinen ersten Vorentscheid im ausländischen Fernsehen gesehen zu haben. Etwas, das Außenstehende bestimmt verrückt finden, zu mindest denke ich das immer. Ich habe mich dabei auch verrückt gefühlt. Ich fühle mich das auch immernoch, wenn ich an einem Samstagabend versuche, zahlreiche Streams in unterschiedlichen Fremdsprachen, die ich nicht verstehe, gleichzeitig zu verfolgen. Aber es macht mich glücklich. 💜

Immer wieder denke ich über ESC-Beiträge, dass sie eigentlich gut sind und man nichts gegen sie sagen kann, nur dass ihnen das entscheidende Gewisse Etwas fehlt. Bei "Dona" von Kaliopi ist das umgekehrt. Das Gewisse Etwas ist voll da, nur am Rest fehlt es leider. "Here I stand" ist musikalisch etwas anderes, als das, woran unsere Ohren gewöhnt sind. Das finde ich erfrischend. Es gefällt mir. Nur sind meine Ohren zu sehr an anderes gewöhnt, als dass ich diesen Song herausagend mögen kann.

"Circles" ist einer dieser vielen Beiträge, die eigentlich gut sind, denen aber das Gewisse Etwas fehlt. "To the Sky" ist zwar ein Qualitätsbeitrag, der auch von den Melodifestivalen stammen könnte, nur wirkt er auf mich auch so kalt, herzlos, kunstlos, glattgebügelt, wie viele Beiträge der schwedischen Melodifestivalen.

Ich hoffe dass ganz bald wieder das Geld reicht, damit Nordmazedonien am ESC teilnehmen kann.

Mein Ranking der nordmazedonischen Beiträge 2014-2024:


Freitag, 31. Mai 2024

ESC 2014-2024 (19/45): Malta

Beim Erstellen dieses Posts ist mir aufgefallen, dass ich die Beiträge von Malta Heute oft deutlich besser oder schlechter bewerte, als ich es damals jeweils anscheinend tat. Insgesamt ist das Niveau Maltas aus meiner Sicht durchmischt.

Platzierung als Nation in meinen Rankings: 27. (29./21./26.)

Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 4. 2018

Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 36. 2017

Teilnahmen 2014-2024: 10

Bestes Ergebnis beim ESC: 7. mit 255 Punkten 2021

Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 16. im Semi mit 13 Punkten 2024

Meine #1 aus Malta ist "Taboo". Der Song hat so viel Feuer und mitreißenden musikalischen Tiefgang! Dazu ein zur Stimmung passender Text; Wir müssen Tabus brechen, damit wir nicht zu Tieren werden und alles den Bach runter geht. Habt die Power und durchbricht Tabus! Das ist vor allem in der Komposition so stark umgesetzt, dass "Taboo" 2018 sehr nah an meiner Silber- und Bronzemedaille dran war. Heute bin ich froh, dass ich mich so rum entschieden habe, denn ich würde "Taboo" Heute nicht aufs Podest setzen. Der Beitrag hat ein klein wenig an Intensität für mich verloren, bleibt aber das Beste Maltas.


"Warrior" ist super kraftvoll und einfach eine High Quality Produktion, die bei mir voll und ganz ankommt - wennauch ich Heute den Beitrag vielleicht nicht mehr in meine Top 10 setzen würde. Etwas Besonderes ist er nicht wirklich.

Ein riesen Stimmungsmacher mit einem anderen Sound als das Übliche ist "Chameleon". Dieses besonders gelungene Staging strahlt drei Minuten lang pure Lebensfreude, Sympathie, Farbe und alles Schöne auf dieser Welt aus. Der Song ist für mich ein Jahre andauernder Ohrwurm. Ich wundere mich darüber, dass ich den Beitrag damals nur auf Platz 30 setzte. Ganz ähnlich strotzen The Busker mit ihrem originellen Auftritt von "Dance (Our own Party)" nur so vor Lebensfreude. Es sind zwei Beiträge, die mit mehr musikalischem Pfeffer, ganz weit vorne hätten landen können.

Mit "Je me casse" und Destiny hatte Malta einen Beitrag in der Tasche, dessen Devise nichts anderes als der ESC-Sieg war. Dafür war der Beitrag auf den meisten Ebenen schlicht zu wenig von allem. Eine Eurovision-Ikone ist Destiny natürlich trotzdem. Sie war die erste Sängerin, dessen Junior-ESC-Sieg ich live gesehen habe. Sie als Person gibt dem Beitrag ein ganz anderes Niveau. Auch wenn Malta enttäuscht ist, damit nicht gewonnen zu haben, sehe ich es eher so, dass der Beitrag mit einer anderen Front-Person überhaupt nichts geworden wäre und Destiny ihn zu dem gemacht hat, was er ist.

Malta fährt in den letzten Jahren mit seinem Vorentscheid die Strategie der Masse statt Klasse. Ich habe meine Bedenken, dass das der beste Weg ist, um einen qualitativ hochwertigen ESC-Beitrag auf die Bühne zu bringen, der Europa begeistert. Gerade als kleines Land lässt sich mit dem gezielten Erarbeiten eines Projektes vielleicht mehr erreichen. In Malta hat der ESC einen so hohen Stellenwert wie in vielleicht keinem anderen Land. Dort wird das gelebt, was ich mir in jedem Land zum ESC wünschen würde. Deshalb wünsche ich mir für Malta, dass sie in Zukunft konstanter starke Beiträge auf die Bühne bringen können. Einem Sieg waren sie mehrmals nahe. Wir wissen also dass Malta es kann...

Mein Ranking der maltesischen Beiträge 2014-2024:


Donnerstag, 30. Mai 2024

ESC 2014-2024 (18/45): Aserbaidschan

Aserbaidschan hat in seiner zweiten bis sechsten Teilnahme 2009 bis 2013 im Wettbewerb die beeindruckenden Plätze 1, 2, 3, 4, und 5 belegt. Pünktlich zu meinem ESC-Hardcore-Fan-Dasein 2014 verschlechterten sich die Ergebnisse. Trotzdem halte ich die aserbaidschanischen Beiträge für solide. Keiner davon ist in meinen Augen ein Totalausfall. Das können nicht viele Länder von sich behaupten.

Platzierung als Nation in meinen Rankings: 28. (31./22./27.)

Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 5. 2022

Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 34. 2019

Teilnahmen 2014-2024: 10

Bestes Ergebnis beim ESC: 8. mit 302 Punkten 2019

Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 14. im Semi mit 4 Punkten 2023

Der beste Beitrag ist für mich "Fade to Black". Es lässt sich gar nicht so viel dazu sagen. Der Beitrag spricht für sich. Es ist eine dieser Powerballaden die das übersteigen, was ich mir von einer idealen Powerballade wünsche. Die Komposition ist so mitreißend wie kaum etwas anderes. Die stimmliche Performance der absolute Wahnsinn. Dazu ein gutes Staging und ein sehr guter Text, der mit künstlerischen Kontrasten spielt. Was will man mehr? Als ich diesen Song zum ersten Mal hörte, dachte ich "Aserbaidschan ist zurück als sicherer Top 10-Kandidat". Schade, dass nicht so viele Leute diese Meinung teilten.


Eine weitere Ballade, die Heraussticht, ist "Start a Fire". Mich überzeugt vor allem das stimmige Gesamtpaket aus allen Komponenten die einen guten ESC-Beitrag ausmachen. Am meisten mag ich den instrumentellen und stimmlichen Sound des Auftritts. Dieses Lied habe ich zu einem besonderen Lied für mein Leben ausgewählt. Ich hörte es, um mich für Veränderungen von mir selbst zu motivieren, als ich versuchte alles an mir zu ändern und die ehemalige Person hinter mir zu lassen, um in ein neues, anderes Leben zu starten. Deshalb hat dieses Lied für mich eine noch größere, tiefergehende Bedeutung gewonnen. Es trägt diese Bedeutung, weil ich es dafür auswahl - und das tat ich nicht ohne Grund. Start a Fire. Das singe ich mir auch zehn Jahre nach diesem Auftritt immer wieder.

Ich liebe "Skeletons"! Es ist eine der ESC-Melodien, die am häufigsten in meinem Kopf aufploppen. Die ganze Attitude des Beitrags ist das was überzeugt. Den tief durchdachten Bühnenauftritt finde ich ganz nebenbei genial! Heute würde ich den Beitrag wohl höher ranken als damals.

Tural und Turan ist so schnuckig süß zusammen. Das löst gliternde Freude in mir aus und ich bin einfach nur glücklich. Die gute Melodie des Liedes ist dafür entscheidend. Durch das extrem langsame Singtempo in Teilen des Liedes, entschleunigt und beruhigt es noch obendrein. Ein Lied zum Wohlfühlen. 😊

"Hour of the Wolf" hat eine der schönsten Choreographien, die wir jemals auf der ESC-Bühne gesehen haben. Diese tänzerischen Ausführungen heben auch die Schönheit des Liedes für mich ein großes Stück an. Es ist ein echter ESC-Qualitätsbeitrag. Dieser Satz trifft auch auf "Özünla Apar" zu. Wie viele Songs aus Aserbaidschan brilliert auch er vor allem mit einer mitreißenden Melodie, aber auch mit anderen Elementen.

"X my Heart" ist ein schöner Song zum Glücklichsein. Mit "Mata Hari" haben wir natürlich ein Kunstwerk das im Kopf bleibt. Anders als der Song von 2020, ist er mir musikalisch aber viel zu dünn und letztlich auch zu dünn performt. Das hätte mehr Ausstrahlung und Spannung in jeder Haarspitze jeden Moments gebraucht, um was richtig Großes zu sein.

Alle wissen, dass die Teilnahme von Aserbaidschan am ESC ein White-Washing-Programm des Staates ist. Aber auch wenn es das auf Aserbaidschan mehr, als auf andere Länder zutreffen mag, hat letztlich jedes Land durch seine ESC-Teilnahmen diesen Imageeffekt. Deshalb finde ich es legitim, dass dieses Land den ESC mit seinen Beiträgen bereichert.

Mein Ranking der aserbaidschanischen Beiträge 2014-2024:


Mittwoch, 29. Mai 2024

ESC 2014-2024 (17/45): Griechenland

Griechenland schickt oft Beiträge mit denen ich gar nichts anfangen kann, aber auch immer wieder ganz große Sachen.

Platzierung als Nation in meinen Rankings: 29. (33./24./25.)

Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 4. 2023

Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 37. 2018

Teilnahmen 2014-2024: 10

Bestes Ergebnis beim ESC: 8. mit 215 Punkten 2022

Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 16. im Semi mit 44 Punkten 2016

Am meisten hat mich Griechenland mit Victor Vernico' "What they say" umgehauen. Schon nachdem der Sänger bekanntgegeben wurde, war ich begeistert und fing sofort an seine Musik rauf und runter zu hören. Ich liebe seine Musik und noch mehr seine Stimme! Der ESC-Song war für mich dann eine kleine Enttäuschung weil ich sein Repertoir kannte und es darin Besseres gab. Meine Erwartungen waren riesig. Für Platz vier in meinem Ranking von 2023 reicht es aber trotzdem. Ganz entgegen der allgemeinen Meinung dass der Song "superbland Radiopop" sei, würde ich nie auf die Idee kommen, ihn als radiotauglich zu bezeichnen. Viel zu tiefgründig ist der geniale Text über die Schmerzen des Lebens. In den richtigen Momenten folgen auf die schmerzhaftesten Wörter musikalische Einlässe, die deren Wirkung enorm verstärken. Eine wirklich besondere Komposition, kombiniert mit einer noch besondereren Stimme. Mir egal was andere sagen. Mich bringt der Song zum weinen, mitfiebern, Schmerz und Einsamkeit spüren. Er macht mich euphorisch und traurig, beeindruckt mich immer wieder aufs Neue. Das ist ganz große Musik!


Über "Die together" könnte ich stundenlang schwärmen. Der Text ist ein Meisterwerk! So viele verschiedene Emotionen werden innerhalb von Sekunden dadurch hervorgerufen. Ich interpretiere den Text so, dass die beiden Figuren des Liedes überlegen, ob sie zusammen Selbstmord begehen. Die Lebensumstände sind schwierig, aber so wären sie auf ewig vereint. Auch die Inszenierung auf der Bühne, mit den verlaufenden Stühlen unterstützt das Gefühlschaos dieser tollen Musik. Auch über dieses Lied habe ich schon viel geweint.

Das Beste an "Better Love" ist natürlich die Inszenierung auf der Bühne. Sie beinhaltet fast so viele Hidden Meanings wie die Musikvideos von Katy Perry. Doch diese Analyse zu schreiben, wäre viel zu lang für diesen Post. "Last Dance" ist ein sehr solider Vorzeigepopsong. Auch hier ist das Staging wieder herausragend. Auch wenn die Idee an sich nichts Neues ist, ist diese Bühnenshow mit dieser Umsetzung in meinen Augen ein kleines Stück Showgeschichte beim ESC.

"This is Love" ist schlicht gute Musik. Allerdings muss ich sie 2017 noch deutlich besser gefunden haben, als Heute. "Utopian Land" hält den Rekord des schlechtesten Ergebnisses in der Geschichte Griechenlands. Ich kann aber nicht nachvollziehen, warum so schlecht über diesen Beitrag gesprochen wird. Das ist Ethno-Musik mit dem Gewissen Etwas. Durch die eingebauten (Trommel-)Beats, ist es auch nicht zu schwierig mit westeuropäischem Ohr da reinzufinden. Abwechslungsreich ist das Lied auch, es wird nie langweilig. Die Inszenierung auf der Bühne ist toll und zelebriert die griechische Kultur. Manchmal erinnert mich das Lied an meine "Hase Felix"-CD, die ich als Kind gehört habe.

Mein Ranking der griechischen Beiträge 2014-2024: