Richtig gelesen. Schweden, das eindeutig erfolgreichste ESC-Land seit der Aufhebung der Sprachregelung 1999 kommt in meinem persönlichen Länder-Ranking der Jahre 2014-2024 nur auf Platz 22. Bei etwa jedem zweiten bis dritten ESC-Fan dürfte es eher Platz eins sein. Doch mir mundet der immergleiche, blankgewischte, gefühllose Profi-Pop aus Schweden nicht so wie manch anderem. Auch eine gewisse Arroganz und Attitüde wie "wir brauchen nicht so viel proben wie die anderen Wettbewerber" trägt nicht gerade dazu bei, dass schwedische Beiträge mir sympathischer werden. Der Vorentscheid "Melodifestivalen" ist natürlich mit keinem anderen vergleichbar und jedes Jahr ein Highlight der ESC-Saison. Mein größtes Problem mit Schweden liegt vielleicht darin, dass meistens ein Beitrag gewinnt, den ich innerhalb des Melfests eher weiter hinten in meinem Ranking habe. Ich werde Schweden niemals verzeihen, dass sie das Meisterwerk "En värld full av strider" von Jon Henrik Fjällgren und Aninia 2017 nicht zum ESC geschickt haben. Der 2. Platz des Melfests vom Folgejahr 2018: "Every single Day" von Felix Sandman ist wohl eines der von mir am häufigsten gehörten Lieder mit ESC-Bezug überhaupt. Ich habe es schon oft für viele Stunden am Stück gehört. Es hat mir bei großem Liebeskummer und Depressionen geholfen. Anstelle dieser ESC-Siegersongs gab es in den beiden Jahren für Schweden schleimige, gefühllose Pop-Nummern, die mich auf Dauer noch mehr nerven, als sie mich langweilen. Wenigstens habe ich seitdem nicht mehr die Hoffnung dass ein Beitrag, den ich mag, den schwedischen Vorentscheid gewinnt, und kann so nicht mehr enttäuscht werden (außer 2023). Ehrlich gesagt, rede ich mir nur ein diese Hoffnung nicht mehr zu haben, denn wie Tschechien 2015 richtig festgestellt hat: "Hope never dies". Looking at you Schweden 👀 Trotzdem sind in diesen 10 Jahren einige Perlen aus Schweden beim ESC angetreten:
Platzierung als Nation in meinen Rankings: 22. (32./23./12.)
Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 2. (2014)
Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 40. (2018)
Teilnahmen 2014-2024: 10
Bestes Ergebnis beim ESC: 1. mit 583 Punkten 2023
Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 14. mit 109 Punkten 2021
Die Musik von Marcus & Martinus habe ich schon gehört, bevor die eineiigen Zwillinge 2017 beim ESC die Punkte für Norwegen verkünden durften. Die beiden irgendwann beim ESC als Wettbewerbskünstler zu sehen war da noch ein Wunschtraum. Tatsächlich haben sie damit gewartet, bis sie einen Song hatten, der vorher dagewesenes übertrifft. Mit "Air" wollten sie nicht nur irgendwie zum ESC fahren, sondern gleich den prestigeträchtigen Vorentscheid im Nachbarland Schweden, bei dem alle Stars vertreten sind, gewinnen. In nahezu jedem anderen Jahr wäre das auch gelungen. Ich glaube dass Schweden auch mit "Air" 2023 den ESC gewonnen hätte, doch Marcus & Martinus hatten das Pech im gleichen Jahr wie "Tattoo" von Loreen anzutreten. Platz 2, natürlich wird mein großer Favorit wieder 2. beim Melfest... Den Zwillingen war nach dem Moment der Entscheidung anzusehen wie sehr sie am Boden zerstört waren, mit diesem Megaknaller nicht zum ESC fahren zu können. Im Folgejahr hauten sie den nächsten Kracher raus. Nicht ganz so stark wie "Air", aber immernoch ein absoluter Wahnsinnstrack. Mit "Unforgettable" war beim ESC nicht das möglich, was sie mit ihrem Vorjahrestitel hätten reißen können, aber es reicht für mich aus, sogar "Undo" von 2014 zu schlagen und dafür die schwedische Goldmedaille zu verleihen. Zwar sind Marcus & Martinus 2024 nur mein 5. Platz beim ESC, aber in diesem Jahr habe ich mit der Schweiz, Australien, Irland und Finnland fünf Sieger. In anderen Jahren gibt es nur einen, oder gar keinen Beitrag, dem ich meine persönliche Krone aufsetzen möchte.
"Undo" ist ein schlichtes Lied, das schlicht für sich selbst spricht. Mir ist noch nie jemand untergekommen, der*die nicht den Appeal an diesem Song verstanden hat. Für mich fehlt es ein bisschen an echt anfühlender Emotion in dem Song, damit er ganz an die Spitze der Allzeit-Favoriten treten kann, aber sonst gibt es hier nichts zu meckern. Ein wenig frage ich mich warum das Lied so stark ist. Ich kann es rational nicht erklären. Ist es die Melodie? Es ist einfach so. Entsprechend hat es für 2014 von mir die Silbermedaille hinter Slowenien "Round and round" und vor Lettland "Cake to bake" erhalten und wurde im Contest verdient mit Bronze belohnt.
Der Strahlebub John Lundvik hat mit "Too late for Love" eine Nummer auf die ESC-Bühne gezaubert die überraschend gut fetzt. Daran tragen The Mamas "im Hintergrund" ihren erheblichen Anteil. Das Lied bringt ein fröhlich-empowerndes Gefühl und die Message, dass es nie zu spät für Liebe (und generell nie jemand zu alt für irgendwas) ist, ist wertvoll.
Der Preis für die größte Fashion-Queen (der letzten 10 Jahre beim ESC) geht an Tusse. Der liebenswerte Sänger wertet mit seiner ganzen Person den ohnehin schon herausragend starken Popsong noch weiter auf.
"If I were sorry" ist ein Song, den ich mir scheinbar über die Jahre so richtig schön gehört habe. Inzwischen macht er bei mir richtig gute Laune. Damals zum Wettbewerb war er nicht viel mehr als ein nettes Lied, das ich gerne höre.
Ja, "Tattoo" ist ein guter Popsong, aber für meine Ohren nicht so besonders oder gar innovativ, wie es von vielen anderen gesehen wird. Der Titel spricht mich durchaus an. Andere Musik (beim ESC) spricht mich aber deutlich mehr an.
Mit "Heroes" verhält es sich bei mir ganz ähnlich wie mit "Tattoo", wobei ich Loreens Song noch ein Stück besser finde. Beides sind Lieder die ich nicht schlecht finde, die allerdings auch absolut nichts besonderes für mich sind. Hätten sie bei ESC nicht solche Ergebnisse erzielt, hätte ich beide Nummern wohl fast wieder vergessen. Da "Heroes" ein ESC-Sieger-Song ist, muss ich an dieser Stelle meine Kritik an dessen Staging äußern. Immer wieder höre ich, dass Schweden 2015 auch wegen dem "innovativen" und "starken" Staging gewonnen haben soll. Solche Aussagen kann ich nicht nachvollziehen. Sich vor einen LED Screen zu stellen und so zu tun, als würde man mit diesem in eine Interaktion treten, war 2015 nicht innovativ, sondern ein ausgenudeltes Konzept. Wenn man das nun auf der ESC-Bühne machen möchte, sollte das in einer besonders gut ausgearbeiteten Form geschehen, damit ein überraschender und unterhaltender Effekt erzielt werden kann. Beim Auftritt von Mans Zerlmerlöw ist aber das absolute Gegenteil der Fall. Die Bewegungen von ihm sind nicht synchron mit denen des LED-Screens, wenn er die Ghetto-Faust zur Strichmännchen-Figur macht, bewegt er seinen Arm zu weit, so dass die Illusion zerstört wird. Bei den Schmetterlingsflügeln steht er nicht mittig. Zwischen dem Regenschwall den er mit seinem Arm wegwischen soll, und seinem Arm selbst ist eine große Lücke. An diesen und einigen weiteren Punkten sind seine Bewegungen mit dem LED-Screen schlecht abgestimmt. Das Timing und die Positionierung stimmt fast nie. Wenn ich diesen Auftritt sehe, denke ich mir nicht "ach, wie niedlich, das mit dem Strichmännchen", sondern rege mich die ganze Zeit darüber auf, wie schlecht die Bewegungen ausgeführt sind und dass da nichts zueinander passt. Das hält davon ab, das Lied genießen zu können. Wenn das der Effekt eines Stagings ist, ist es ein schlechtes Staging und entsprechend lautete von Anfang an auch 2015 schon mein Urteil über diesen Auftritt. Wenn man sich für ein solch riskantes Staging entscheidet, bei dem so vieles schief gehen kann, muss man alles bis zur Perfektion proben, damit es später nicht schief geht. Schweden hat hier alles falsch gemacht, was es hätte falsch machen können. Auch deshalb ist es (ähnlich wie "Tattoo") ein Siegerbeitrag, dessen Sieg ich mit nicht mehr als einem Schulterzucken zur Kenntnis nehmen kann.
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