Die Ergebnisse des Vereinigten Königreichs beim ESC 2014-2024 sind insgesamt nicht besonders gut. Ich empfinde die legendäre Rundfunkanstalt BBC subjektiv auch nicht als ein gutes Land beim ESC. Und dennoch ist das, was die Insel uns liefert, insgesamt gesehen gar nicht so schlecht, sodass es in meinem 10-Jahres-Ranking für die Inselnation für Platz 19 reicht.
Platzierung als Nation in meinen Rankings: 19. (24./18./20.)
Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 6. (2024)
Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 36. (2015 und 2016)
Teilnahmen 2014-2024: 10
Bestes Ergebnis beim ESC: 2. mit 466 Punkten 2022
Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 26. mit 0 Punkten 2021
Es ist eine sehr knappe Entscheidung für mich zwischen Platz eins und zwei, weil ich gerne beiden Beiträgen den Preis für den besten britischen ESC-Beitrag 2014-2024 geben möchte. Ich habe mich für "Children of the Universe" von Molly entschieden. Dieses musikalische Meisterwerk spricht für sich. Die Power von allem daran muss erstmal jemand nachmachen. Damals war ich noch zu jung, als dass dieser Beitrag bei mir klick gemacht hat. Das kam aber kurze Zeit später. Seitdem bin ich immer wieder aufs Neue geflasht. Hätte der ESC 2014 zehn Jahre später stattgefunden, wäre das Vereinigte Köngireich womöglich mein Sieger gewesen. "Power to the People!"
Wer nicht in der schwulen Kultur unterwegs ist, versteht vermutlich nicht wie sehr dieser ESC-Beitrag so vieles aus der schwulen Kulturszene verkörpert. Olly Alexander ist durch Years & Years eine der größten Gay-Ikonen unserer Zeit. Alleine die Nachricht dass er zum ESC fährt hat die Briten auf Platz eins der Wettquoten gebracht! Die "Nill Points" Briten! Das Staging beim ESC ist nicht nur technisch durch die Perspektivwechsel beeindruckend und ein Stück weit showinnovativ. Der noch viel größere Wert darin liegt für mich in den zahlreichen Elementen der Gay-Szene, die darin verarbeitet sind. Es ist eine Hommage an schwule Kultur - und das in besser als meine Fantasie es sich hätte ausmalen können. Das Lied musikalisiert einen ganz spezifischen Gefühlszustand, für den es in der deutschen Sprache nicht einmal Wörter gibt. Es geht darum, wenn jemand anderes dich durch Berührungen und dessen Art als Person in einen Zustand versetzt, in dem das Gehirn ausschaltet, weil es zu einem scheinbar übermenschlichen Gefühl kommt, das es unbedingt beibehalten möchte und alles andere vergisst. Eine hypnotische Faszination in Kombination mit dem "Betteln" die andere Person(en) solle nicht aufhören zu tun was sie tut und zu sein was sie ist, damit dieser Zustand anhält. Dieses "Dizzy"-Gefühl wird nicht nur im Text und der ganzen Verkörperung des Beitrages, sondern auch musikalisch gut umgesetzt. Allerdings ist die musikalische Umsetzung für mich nicht perfekt, sonst müsste ich drüber nachdenken den Beitrag in meine Allzeit-Top 5 mit aufzunehmen. Und das ist auch die einzige Kritik die ich hieran äußern kann, die aber schwer ins Gewicht fällt im diesem hochkarätigen Wettbewerb von Kompositionen. Der Song läuft bei mir immer wieder auf Dauerschleife. Es ist wahnsinnig guter Eskarpismus.
Die Melodie von "Never give up on you" ist eine der größten Ohrwurmmelodien vom ESC für mich. Das Staging ist mit Worten kaum zu beschreiben: Magnificent! Die eigenartige Mimik und Körperhaltung von Lucie Jones während der Performance spiegeln sich bei mir automatisch wenn ich das Lied höre. Es ist ein Paradebeispiel von ESC-Beiträgen, die ich erst nach Ende des Wettbewerbs so richtig lieben gelernt habe, dafür dann aber besonders doll.
What a Man! Das was Sam Ryder mit "Space Man" auf die ESC-Bühne gebracht hat, zeigt wozu die britische Musikszene fähig ist. Und sie ist es jedes Jahr. Dafür muss die BBC nur das nutzen was da ist. 2022 wurde das mit der Silbermedaille belohnt. Ich habe den Eindruck dass die Briten seitdem Blut geleckt haben und jetzt alles in Schale legen um tatsächlich jedes Jahr eine gute Repräsentation britischer Musik zum ESC zu bringen. Dabei fallen sie derzeit noch ein wenig über Stolpersteine, aber an sich ist die BBC auf dem richtigen Weg. Für mich müsste das Lied an sich, ohne den strahlenden Space Man, noch etwas besser sein, damit es ganz nach oben ginge.
"Bigger than Us" und "Storm" sind ESC-Beiträge die am Tag nach dem ESC-Finale auf ihrem Gipfel ihrer Gunst bei mir waren, und deshalb in meinen letztlichen Rankings bessere Platzierungen erreicht haben, als sie sie vorher in der Saison hatten und auch als ich sie später einordnen würde. Beides sind kraftvolle Lieder mit ordentlich Wumms der mitreißt, denen aber doch das Besondere fehlt, damit es ganz nach oben gehen kann. Den ESC-Fan Running Gag "BIGGER" praktiziere ich weiterhin gerne XD
"Still in Love with you" ist meine vielleicht größte Live-Enttäuschung beim ESC. In der Studioversion hatte ich diesen Song, der so viel Spaß macht, in meinen Top 10. Nach dem Live-Auftritt im ESC-Finale musste ich ihn leider auf Platz 36 herabsetzen.
Mein Land, Deutschland, belegt in meinem 10-Jahres-Ranking "nur" Platz 20. Es gibt viele Gründe warum man beim ESC nicht über sein eigenes Land abstimmt. Ein Grund davon ist, dass es schwierig ist, den Beitrag seines eigenen Landes mit denen der anderen Länder in einen fairen Vergleich zu setzen. Dadurch, dass es das eigene Land ist, sind die Emotionen zu diesem Beitrag intensiver. Deshalb bin ich mir selber immer unsicher, wie ich Deutschland in meinem Ranking einordnen soll. Letztlich gehe ich nach meinem Gefühl und ich glaube dass ich Deutschland deshalb besser bewerte, als ich es tun würde, wenn ich nicht aus Deutschland stammen würde. Angesichts dessen ist der 20. Platz ein eher schlechtes Ergebnis. Aber Deutschland hat in den letzten 10 Jahren sieben mal den letzten oder vorletzten Platz als automatischer Finalist im Finale belegt. Wenn ich Deutschland schlecht bewerte, liege ich damit vielleicht einfach nur im europäischen Trend und es könnte an der tatsächlichen Qualität der Beiträge liegen.
Der 20. Platz setzt sich zusammen aus dem 14. Platz in der Wertung der Durchschnittsplatzierung pro Teilnahme der 45 Länder, dem 10. Platz in der Wertung der Durchschnittsplatzierung pro Jahr (inklusive Nichtteilnahmen) der 45 Länder, und dem 38. Platz in der Punktewertung für Top 10 Platzierungen der einzelnen Jahrgänge. Dabei kommt Deutschland mit einem 9. und einem 10. Platz nur auf drei Punkte. Deutschland habe ich in fünf von 10 Fällen auf den Plätzen 9-16. Vielleicht ist es auch so, dass ich Deutschland nicht auf eine höhere Top 10 Platzierung setzen möchte, auch wenn ich den Beitrag eigentlich entsprechend doll mag, denn wie anfangs erwähnt, ist es schwierig das eigene Land fair zu bewerten. Die fehlenden absoluten Top-Platzierungen machen das Ergebnis der sonst starken Durchschnittsplatzierungen kaputt. Denn auch wenn Deutschland wahrlich nicht erfolgreich ist, und es viele berechtigte Gründe gibt, Kritik an der deutschen Vorauswahl der letzten 10 Jahre auszuüben, finde ich die deutschen Beiträge beim ESC wirklich stark und teile die Kritik an den deutschen Beiträgen meistens nicht.
Platzierung als Nation in meinen Rankings: 20. (14./10./38.)
Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 9. (2018)
Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 29. (2017)
Teilnahmen 2014-2024: 10
Bestes Ergebnis beim ESC: 4. mit 340 Punkten 2018
Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 27. mit 0 Punkten 2015
Die deutschen Beiträge sind in ihrer Gunst bei mir ganz eng beieinander, viele davon quasi gleichauf. Sich für ein Ranking zu entscheiden war schwierig und eine solche Differenzierung wird des Beiträgen nicht unbedingt gerecht. Eine kleine Lücke zum ersten Platz gibt es aber trotzdem. Der geht an die einzige Top 10 Platzierung Deutschlands in diesem Zeitraum. Immer wieder denke ich, dass das doch einfach nur ein normales, nettes und trauriges Lied ist, doch wenn ich mir dann wieder den Auftritt anschaue, erinnere ich mich wieder was diesen Beitrag so erfolgreich gemacht hat. Insbesondere die Details in der Komposition lassen das Lied stark wirken. Am endtscheidendsten aber: Michael Schulte hat mit dieser Inszenierung und dieser persönlichen Performance einen dieser magischen Momente beim ESC geschaffen, der 200 Millionen Menschen gleichzeitig emotional berührt. Das ist etwas, das nur der ESC schaffen kann und das auch dort nicht leicht zu erreichen ist. Michael Schulte hat es gemeistert, sich damit den 4. Platz beim ESC, und meinen Preis als besten deutschen Beitrag beim ESC 2014-2024 verdient.
2019 dürfte das Jahr sein, für das es am meisten Kritik am deutschen Vorentscheid und deutschen ESC-Beitrag gibt. Vieles der Kritik am Vorentscheid ist berechtigt, aber die am ESC-Beitrag kann ich kaum verstehen. Es ist eine wundervolle Komposition mit so vielen Elementen, die das Hörerlebnis besonders macht. Darunter auch die wiederkehrende Melodie der Spieluhr, die ich genauso stark finde, wie die Flöten-Melodie im ESC-Siegertitel von 2013 "Only Teardrops" aus Dänemark. Beide Songelemente stammen vom selben Komponisten. Die Übergänge im Lied und die Harmonien, die Intensität der Performance, die die Komposition den Sängerinnen ermöglicht, all das macht das Lied überaus mitreißend und berührend für mich. Ich habe schon oft darüber geweint. Hinzu kommt die Sängerin Laurita Spinelli als Teil des Duos S!sters. Sie ist meiner Meinung nach die beste Backgroundsängerin, die Lena Meyer-Landrut mit auf ihre Konzerte genommen hat, wo ich magische Momente mit ihr geteilt habe. Die beiden Sängerinnen sind tolle Musikkünstlerinnen und verbessern den Beitrag dadurch weiter. "Sister" wird für mich über die Jahre auch immer besser und besser.
Genauso emotional mitreißend und zu Tränen rührend ist für mich "Rockstars" von Malik Harris. Bereits in seiner Studio Version und dem Musikvideo. Alles wirkt wie aus den US-Amerikanischen Top-Charts. Auch hier brillieren die Übergänge, die das Lied besonders mitreißend und immer intensiver werden lassen. Die private und schutzlose Inszenierung auf der ESC-Bühne mit Maliks persönlichen Möbeln, auf denen das Lied und dessen besungenen Erinnerungen entstanden sind, macht es für mich noch mal um einiges besser. Die Message der vergehenden schönen Momente und Zeiten, und dass wir sie genießen, die richtigen Entscheidungen treffen sollten, solange wir es noch können, sollten sich viel mehr Menschen verinnerlichen. Es ist eine wichtige Message zum Nachdenken die da Europa präsentiert wurde. Umso überraschender und enttäuschender ist der letzte Platz im Finale für mich.
Die Performance von "I don't feel Hate" hat so viele Elemente die mich unendlich glücklich machen. Es steckt so viel Herzblut, Liebe zu vielem und so viel Freude in diesem ESC-Beitrag. Die vielen Nörgler, die den Auftritt peinlich oder was auch immer finden kann ich nicht verstehen. Es gibt nichts Negatives an diesem Beitrag und genau darum geht es in ihm. Es wundert mich, dass gerade ein Lied das einfach nur fröhlich zeigt wie man ohne "Hate" leben kann, besonders viel "Hate" auslöst. Durch Jendrik habe ich außerdem angefangen Ukulele zu spielen. Seine Musik höre ich immernoch regelmäßig und erfreue mich daran. Er zeigt auch nach seiner Teilnahme seine Passion für den ESC und ist ein toller Mensch. Ein rundum toller ESC-Beitrag! Warum ich ihn im Wettbewerb nur auf Platz 21 gesetzt habe, verstehe ich nicht.
"Blood and Glitter" habe ich vor dem ESC 2023 als den deutschen Befreiungsschlag und auch persönlich vielleicht besten ESC-Beitrag empfunden. Das ernüchternde Ergebnis vom letzten Platz hat sicherlich dazu beigetragen, aber auch das Lied an sich ist eines, das bei häufigem Hören irgendwann einfach nicht mehr so kickt wie es bei anderen Liedern der Fall ist. Deshalb hat der Beitrag seit dem ESC bei mir an Gunst ein kleines bisschen verloren. Ich bin aber stolz darauf, dass mein Land mit so einer Message beim ESC vertreten wurde. Ich glaube, die vielen Leute, die den Text kritisieren verstehen ihn nicht. Die Message, das gesamte Auftreten der Band, auch auf der ESC-Bühne und die wundervollen Menschen dieser Band bringen mir ab und an immernoch Gänsehaut.
"Ghost" ist ein Beitrag der für mich mehr von seiner optischen Ästhetik und dem Sound der Sängerin, als vom Song selber lebt. Ich liebe den Style den Jamie-Lee Kriewitz der Welt präsentiert hat. Endlich mal jemand, der nicht etwas langweiliges und schon oft gesehenes macht - und dann sieht es auch noch so gut aus! Die deutsche Delegation war damals besonders glücklich wie der Auftritt letztlich geworden ist und das kann ich vollständig nachvollziehen! Die Atmosphäre ist mit den Laser strahlenen Bäumen, dem Mond, der Dunkelheit, selbst mit den schlichten Outfits der Backgroundsänger*innen fantastisch! Das Lied an sich ist auch gut, es ist halt nur nichts besonderes, was das Problem des Beitrags war. Ich habe mich richtig erschrocken, als ich bei der Erstellung dieses Posts gesehen habe, dass ich 2016 nur Platz 22 dafür übrig hatte. Ich hätte geschätzt den Beitrag etwa auf Platz 9 gesetzt zu haben.
Auch "Always on the Run" ist für mich nicht nah an deutschlands Top-Beitrag dran. Die unglaublich kraftvolle Stimme von Isaak, bildet gemeinsam mit der energetischen Inszenierung und dem intensiven Song eine Harmonie die genial gut funktioniert. Das wurde mit Platz 12 beim ESC belohnt. Und dennoch, wenn ich mir einen deutschen Beitrag aussuchen könnte, der anstatt des letzten/vorletzten Platzes, Platz 12 belegt, hätte ich andere Beiträge lieber gewählt. Angesichts dessen, dass all die anderen Sachen so schlecht funktioniert haben, frage ich mich, warum ausgerechnet dieser deutsche Beitrag erfolgreich war. Das bedeutet aber nicht, dass ich mich weniger über diesen Erfolg freue!
"Black Smoke" und "Is it right" sind schöne, nette ESC-Beiträge. Das reicht aber leider nicht für ein wirklich gutes Ergebnis. 2017 ist das Jahr an dem ich am meisten Kritik gegenüber dem deutschen Vorentscheid und ESC-Beitrag ausübe. Levina hat ihren Job beim ESC gut gemacht! Leider hat man ihr ein gar nicht so gutes Lied und ein Staging gegeben, das für mich zum Haareraufen ist. Der Opening Shot hat allerdings einen positiven Sonderpreis verdient.
Es gab in den letzten 10 Jahren schönere "Heimat"länder als ESC-Fan mit mehr zum Freuen und jubeln als Deutschland. Es ist nicht immer leicht ESC-Fan aus Deutschland zu sein. "Wir werden doch eh immer Letzter" habe ich schon zu oft gehört. Vor ein paar Jahren habe ich noch selbstbewusst dagegen verteidigt, aber sieben mal letzter oder vorletzter Platz im Finale in den letzten neun ESC-Ausgaben ist ein niederschmetterndes Gesamtresultat. Umso dankbarer bin ich um den Lichtblick des 4. Platzes von Michael Schulte, der zeigt, dass auch für Deutschland alles möglich ist. Ich frage mich auch warum Deutschland zuletzt so schlecht geworden ist. Bevor ich Hardcore-ESC-Fan wurde waren die deutschen Ergebnisse besser. Es gibt an den deutschen Vorentscheiden viel zu kritisieren, aber einiges läuft auch gut und der NDR versucht ja ernsthaft gute Ergebnisse zu erzielen. Vielleicht ändert sich strukturell etwas, wenn 2026 der SWR den ESC vom NDR übernimmt. Vielleicht auch nicht, aber "Hope never dies" und auch deshalb liebe ich den ESC. Jedes Jahr darf jedes Land aufs Neue darauf hoffen den ESC zu gewinnen. Auch Deutschland.
Am Morgen vom 24. Mai 2008 habe ich erstmals von der Existenz des ESCs erfahren. Bereits unaufgeregte Erklärungen haben mich völlig begeistert. Am gleichen Abend sah ich mir das ESC-Finale mit meiner Familie an. Ich war 7 Jahre alt. Der Auftritt Russlands am Ende des Abends, mit der Startnummer 24, hat mich so begeistert, dass es mein ganz klarer Sieger war. Am meisten war das Kind vom Eiskunstläufer fasziniert, aber auch der übrige Teil des Auftritts hat für große Begeisterungen gesorgt. Hinzu kommt das herausragende Lied. Zwar habe ich erst am nächsten Morgen erfahren dass Russland gewonnen hat, weil ich vor der Punktevergabe schlafen gehen musste, aber dieser Auftritt und dieses Lied haben einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen und rühren mich auch Heute noch zu Tränen. Die Leute können über den Kitsch dieses Auftritts sagen was sie wollen und Russland kann ein noch so problematisches Land (beim ESC) sein, das ändert nichts daran, wie dankbar ich Russland für diesen - meinen - ersten ESC-Sieger bin. Damit fing dieser riesengroße Teil meines Lebens an - meine Eurovision Passion.
In diesem 10-Jahre-ESC-Fan-Ranking, geht es aber nur um die Jahre, in denen ich als Hardcore-ESC-Fan, quasi alles was in der ESC-Bubble passiert, verfolge. Deshalb ist "Believe" raus. Russland ist ein ESC-Land, dessen Beiträge für mich unweigerlich immer einen Beigeschmack haben. Wenn Russland am ESC teilnimmt, schicken sie keinen Beitrag, von dem sie nicht glauben dass er realistische Chancen hat zu gewinnen (ignorieren wir 2018) - und das ist eine Bereicherung für den ESC. Was aus Russland kommt ist immer stark. Aber es ist auch immer dieser unbedingte Wille gewinnen zu wollen erkennbar; Der Versuch die Triggerboxen zu treffen, die den Sieg bringen, das unglaublich viele Geld das dahinter steht, die Perfektion in der Produktion. Dadurch wirken russische ESC-Beiträge auf mich oft zu künstlich, als dass ich sie ganz vorne an der Spitze sehe. Und vielen anderen geht es auch so. Im Zeitraum der letzten 10 Jahre ist Russland beim ESC zusätzlich mehr durch politische Aktionen, als durch anderes aufgefallen. Deshalb stellt sich für mich bei russischen Beiträgen immer die Frage, wie sehr ich darüber hinwegsehen kann, dass auf diesem Beitrag "Russland" steht.
Platzierung als Nation in meinen Rankings: 21. (11./36./17.)
Beste Platzierung in meinen Jahresrankings: 3. (2021)
Niedrigste Platzierung in meinen Jahresrankings: 42. (2018)
Teilnahmen 2014-2024: 6
Bestes Ergebnis beim ESC: 2. mit 303 Punkten 2015
Niedrigstes Ergebnis beim ESC: 15. im Semi mit 65 Punkten 2018
Mein 1. Platz Russlands geht an einen Beitrag der untypischer nicht sein könnte für dieses ESC-Land. 2021 gewann Manizha etwas überraschend die russische Vorauswahl mit der queerfeministischen Revolutionshymne "Russian Woman". Überraschend nicht weil es musikalisch nicht gut genug gewesen sei, sondern weil des kaum denkbar war, dass die russische Führung so einen Landesbeitrag beim ESC zulässt. Außerdem war es interessant, dass sich das russische Volk nicht für den vorgegebenen Favoriten, sondern für diesen politisch speziellen Beitrag entschieden hat. Ich habe nach dieser Entscheidung eine große Siegeschance für Russland beim ESC gesehen. Mir ist keine Rap-Gospel-Nummer bekannt, die mit der musikalischen Power dieses Auftritts auch nur ansatzweise mithalten kann. Die Umsetzung auf der ESC-Bühne ist großartig! Ich habe es für realistisch gehalten, dass dieser ESC-Auftritt eine russische Revolution auslösen könnte - es wäre nicht der erste ESC-Beitrag gewesen, der den Startschuss einer Revolution bildet - und wie wir wissen ist dafür auch kein gutes Ergebnis beim ESC von Nöten. Dieser besondere Auftritt hat 2021 meine persönliche Bronzemedaille erhalten, hinter Bulgarien und Rumänien. Nun kommt der erste Platz russlands der letzten 10 Jahre dazu.
"You are the only One" von Sergey Lazarev ist der Beitrag Russlands, der den Charakter dieses ESC-Landes am eindrucksvollsten zeigt. Ich glaube dass kein ESC-Beitrag der Geschichte so teuer war wie dieser. Das Geld hat sich gelohnt. Der Auftritt ist nichts geringeres als Showgeschichte. Der Song ist zwar gängiger Pop, aber die Komposition letztlich so stark, dass sie 2016 die anderen Teilnehmenden in ihren Schatten gestellt hat. Würde das alles nicht so gekünstelt und zu sehr gewollt wirken, wäre das ganz klar mein 1. Platz, aber dann geht es beim ESC doch irgendwie um mehr als das, was dieser Beitrag mitbringt. Am Ende ist Musik dann doch Kunst und die lebt von etwas, das sich nicht kaufen lässt. Wie ironisch, dass ausgerechnet in diesem Jahr die Ukraine gewann, mit einem Song dessen politische Botschaft an Russland nicht abzustreiten ist... Es war der Anfang vom (vorübergehenden?) Ende Russlands beim ESC.
Mit den Tolmachevy Zwillingen hat Russland das Phänomen der Zwillings-Performances beim ESC auf die Spitze getrieben - und ich liebe es! Für solche Dinge lieben wir doch den ESC. Dort kann man das machen, was anderswo nicht möglich wäre. Auch die Entscheidung, dafür den, beim ESC viel zu oft verwendeten, Songtitel "Shine" zu wählen - es ist alles so übertrieben ESC an diesem Beitrag! Herrlich! Wie oft ich in den letzten 10 Jahren diese Performance schon "getanzt" habe, wie oft ich mir diesen Ohrwurm, den ich sehr gerne habe, angehört habe. Alles an diesem Beitrag ist etwas komisch, aber das macht dessen Faszination für mich aus. Ja, es ist das Jahr, kurz nach russlands Annektion der Krim. Ich kann nicht völlig darüber hinweg sehen, dass es sich hierbei um Russland handelt, aber dieser übersteigerte Zwillings-Kitsch fasziniert mich seit nunmehr über 10 Jahren. Warum ich damals dafür nur Platz 20 übrig hatte ist mir Heute ein Rätsel.
Obwohl "Scream" eine dramatische Ballade ist, ploppt dessen Songmelodie immer wieder mal in meinem Kopf auf. Die Melodie ist wirklich gut, wie vieles anderes an diesem gelungenen ESC-Auftritt. An Sergeys ersten Beitrag von 2016 kommt das aber bei Weitem nicht heran.
Seitdem sich Polina Gagarina wiederholt bereitwillig als Unterstützerin Putins Kriegspolitik und -propaganda zeigt, hat die Friedenshymne "A million Voices" von 2015 einen großen Teil seines Appeals für mich verloren. Auch damals war es bereits kontrovers, dass Russland mit so etwas auftritt, während Russland die Krim angreift, aber Polinas Auftreten war so authentisch, dass ich ihr den Wunsch nach Frieden vollständig abgekauft habe. Auftritte bei Militärparaden passen allerdings weniger gut in dieses Bild. Die Komposition an sich bleibt dennoch stark.
Die nicht ernst gemeinte Protest-Teilnahme Russlands 2018 brauchen wir hier nicht weiter thematisieren.
2021 war die bislang letzte Teilnahme Russlands. Politische Spielchen des nationalen Rundfunks und der Angriffskrieg auf die Ukraine verhinderten weitere Teilnahmen. Ob oder wann Russland künftig wieder dabei ist, lässt sich derzeit nicht voraussagen. Fest steht auf jeden Fall dass Russland auf verschiedene Weisen beim ESC wieder für Aufmerksamkeit sorgen würde.