Dienstag, 27. Juni 2017

Die Regeln vom ESC What is Eurovision? - Love Love Peace Peace Teil 2/4

Im letzten Teil wurde erklärt wer am Eurovision Song Contest teilnehmen darf. Im zweiten Teil schauen wir uns an was für Regeln diese Nationen bei einer Teilnahme beachten müssen. Danach wird dir einiges klar sein, warum die Dinge so sind, wie sie sind.

Fast alle Regeln haben einen geschichtlichen Hintergrund und sind im Laufe der Jahre aus den Problemen des Wettbewerbs entstanden. 1956, als alles in Lugano anfing, gab es nur 7 teilnehmende Länder. Um eine abendfüllende Sendung gestalten zu können, sollte jede teilnehmende Rundfunkanstalt zwei Beiträge stellen. Wie der Sieger ermittelt wurde ist unklar. Eine Jury hat nach einem unbekannten Votingsystem ihren Favoriten bestimmt. Die Stimmzettel wurden direkt nach der Auswertung verbrannt. Nur der Gewinner ("Refrain", Schweiz) wurde verkündet. Wie die anderen Plätze aussahen weiß keiner. Beim zweiten Grand Prix in Frankfurt am Main wurde das öffentliche Voting eingeführt, welches später das Herz der Sendung wurde. In jedem Land gab es zehn Jurymitglieder. Jeder vergab einen Punkt an seinen persönlichen Favoriten. Diese wurden dann gesammelt telefonisch abgegeben. Da man bereits zehn Teilnehmerländer hatte, gab es aus jedem Land nur noch einen Beitrag. Eine weitere, noch Heute elementare, Regel wurde eingeführt; das Siegerland muss den kommenden ESC austragen. Es ist möglich dieser Regel auszuweichen, aber jede Nation hat den Stolz dass sie es auf jeden Fall versuchen möchten, um Europa und der Welt zu zeigen was sie schaffen können.

Dass dieses Votingsystem nicht besonders gut ausgefeilt war, merkte man früh. Es gab immer lautere Kritik, auch weil immer nur die gleichen Länder gewannen. 1962 führ man ein neues Votingsystem ein. Es gab immernoch zehn Jurymitglieder pro Land. Diese stimmten weiterhin für ihren Favoriten ab. Das Land, dass die meisten Stimmen erhielt, bekam schlussendlich 3 Punkte. Das Land mit den zweitmeisten Stimmen 2 Punkte und das mit den drittmeisten Stimmen 1 Punkt. Bei Gleichstand wurden Stichwahlen durchgeführt. So war es nicht mehr möglich dass teilweise 9 oder alle 10 Punkte an das gleiche Land gingen, was eben dieses im Gesamtfeld auf eine völlig andere Platzierung gebracht hat.

Die erste Siegerin der Eurovision - mit unbekannter Punktzahl

Im Jahr darauf warf man dieses System wieder teilweise um. Die Top 5 jedes internen Ländervotings bekamen nun Punkte. 5 für den #1. Platz, 4 für den #2. und so weiter bis zu 1 Punkt für den #5. Platz. Auch das überlebte nicht lange. Im Folgejahr gab es wieder nur noch für die Top 3 Punkte; 5 für den #1. Platz, 3 für den #2. Platz und 1 für den #3. Platz. Wenn die zehn Jurymitglieder nur an zwei verschiedene Songs abgestimmt haben, gab es für den #1. Platz 6 Punkte und für den #2. Platz 3 Punkte. Wenn alle zehn Stimmen an das gleiche Land gingen, bekam dieses alle 9 Punkte gesammelt. 1967 kehrte man wieder zum ursprünglichen System zurück. Zehn Jurymitglieder pro Nation vergaben jeweils einen Punkt. Neue Regel: Mindestens fünf Jurymitglieder mussten jünger als 30 sein. Dadurch wollte man den Wettbewerb modernisieren.

1969 und 1970 folgten die großen Boykottjahre. Es gab immer mehr Kritik an dem Wettbewerb. Zu viele Punktgleichstände und somit Platzierungsteilungen waren ein Hauptproblem. Ebenfalls wurde stark kritisiert dass der Wettbewerb nicht mit der Zeit geht und sich dringend modernisieren muss. Der stärkste Kritikpunkt war, dass immer die gleichen Länder gut abgeschnitten haben und immer die gleichen hinten landeten. Dass 1969 vier Nationen (Großbritannien und Nordirland, Frankreich, die Niederlande und Spanien) mit einem Punktegleichstand von 18 Punkten, sich den Sieg teilten, brachte das Fass zum überlaufen. Der Eurovision Song Contest musste revolutioniert werden. Auch wenn diese beiden Jahre zu den dunkelsten Zeiten vom ESC gehören, müssen wir dem Ganzen Heute sehr dankbar sein, denn durch diesen krassen Boykott haben wir heutige, grundlegende, wichtige Regeln. Während 1968 noch 17 Länder teilnahmen, waren es 1970 nur zwölf. Damals feierte Irland, das bisher sehr erfolglos war, seinen ersten Sieg. Niemand hat geahnt zu was für einer Großmacht diese Nation später aufsteigen wird.

Das Votingsystem wurde aufgrund des Boykotts grundlegend geändert. Die Jurys saßen nun vor Ort in der Veranstaltungshalle und haben direkt nach jedem Auftritt eine Wertung für dieses Land abgegeben. Diese Wertungen wurden später einzeln dem Zuschauer präsentiert. Jedes Land hatte nur noch zwei Jurymitglieder. Eines musste jünger als 25 sein, eines älter. Außerdem mussten beide einen Altersunterschied von mindestens fünf Jahren haben. Wichtig war, dass ganz normale Leute aus der Bevölkerung abstimmen sollten. Ob Klempner. Lehrer oder Rentner, das Volk sollte entscheiden, nicht irgendwelche Musikprofessoren. Als Jurymitglied musste man jedem Land mindestes 1 und höchstens 5 Punkte vergeben. Dadurch gab es viel mehr Punkte und Platzierungsteilungen wurden vermieden. Hauptproblem von diesem System war, dass nicht festgelegt wurde, wie oft man wie viele Punkte vergeben musste. So kam es dazu dass einige Jurymitglieder fast immer nur 1 Punkt vergaben, um das eigene Land weiter nach vorne zu bringen. Zum Folgejahr änderte man nur, dass die Jury in einem abgesonderten Raum saß. Es war das erste Jahr, in dem es keinen Punktegleichstand gab.

Das Scoreboard während des Votings von 1970

Wer sich Videomaterial von damals anschaut wird schnell merken, dass dieses Abstimmungsverfahren nicht lange überleben konnte. Nach langen Diskussionen entschied man sich 1974, zwei Tage vor dem Wettbewerb, dafür zum alten System zurückzukehren. In jedem Land saßen wieder zehn Jurymitgleider, von denen jedes eine Stimme hatte. Die Diskussionen darum wurden immer lauter. Schließlich entwickelte man 1975 das geniale Votingsystem, das den Eurovision Song Contest zu der erfolgreichen Show gemacht hat, die sie heute ist. "Douze points" oder "twelve points" wurde zum Markenzeichen der Sendung. In jedem Land saßen nunmehr elf Jurymitgleider, die demokratisch die zehn besten Acts wählten. Anschließend setzten sie sich zusammen und entschieden im gemeinsamen Einvernehmen, wer denn wie viele Punkte erhalten soll. Es galt das 12 - 10 - 8 ... 1-Prinzip. Alle waren nun endlich zufrieden. Dass ein Land mit null Punkten endet geschah nun auch nur noch in Ausnahmefällen, aber damit kennen wir Deutschen uns ja aus...

Der Wettbewerb wurde immer beliebter. Immer mehr Länder wollten teilnehmen. Da zu viele Songs den Rahmen der Abendsendung sprengen würden, legte man die Teilnehmerzahl zunächst auf 25 fest. Die Länder mit den schlechtesten Ergebnissen in den letzten Jahren mussten immer aussetzen. Später verkürzte man das Feld auf 24. 1996 führte man die Vorqualifikation ein. Jedes Land das teilnehmen wollte, sollte auch einen Beitrag stellen dürfen. In einer Qualifikationsrunde, die selber nicht wirklich zum ESC gehörte, mussten sich die 22 Teilnehmerländer mit ihren Beiträgen qualifizieren. Der Gastgeber war als Teilnehmer gesetzt. Weil man 24 Songs als zu lange empfand, reduzierte man die Zahl erneut um 1. Eines der 7 Länder, das die Qualifikation nicht schafft, war Deutschland. 1996 ist das einzige Jahr, in dem wir keinen Beitrag beim ESC hatten. Dass Deutschland nicht teilgenommen hat, hat den ESC wirtschaftlich fast in die Ruinen getrieben. So etwas durfte nicht noch mal geschehen., sonst ist es aus mit dem Fest für Frieden in Europa.

Daraufhin beschloss man die Big 4 bzw. Big 5-Regel. Die vier wichtigsten Länder für den weiteren Bestand vom ESC; Deutschland,Großbritannien und Nordirland, Frankreich und Spanien, waren jedes Jahr als Teilnehmer gesetzt und mussten sich nicht erst qualifizieren. Ohne die Big 5-Regel würde der ESC nicht mehr existieren! Natürlich ist das nicht ganz gerecht, aber besser so, als gar nicht. Der Gastgeber war ebenfalls immer als Finalist gesetzt.

Die Big 5 - immer im Finale dabei

1997 gab es schon den nächsten Meilenstein im Regelwerk vom ESC. Man hat aus den Boykottjahren gelernt und möchte so etwas nicht wiederholen. Jedes Jahr wenn sich die EBU zusammensetzt und das gesamte Regelwerk überarbeitet, stehen dabei die 1956 festgelegten Grundsätze im Vordergrund. Diese habe ich im ersten Teil näher erläutert. Seit 1971 steht jedoch auch der Mut zu Veränderungen im Fokus. Weil man 1 1/2 Jahrzehnte nicht viel geändert hat, ist die Show veraltert. Damit dies nicht noch mal passiert, achtet man im Regelwerk darauf modern zu bleiben/werden. So wurde z. B. auch das Orchester abgeschafft, da es einfach nicht mehr in eine moderne Musikshow passte.

1997 wollte man nun die Völker Europas entscheiden lassen. Alle sollten abstimmen und nicht nur eine vorweg ausgewählte Minderheit. Inzwischen gab es entsprechende technische Möglichkeiten, also fuhr man das Televoting ein. Jedes Land konnte für sich selber entscheiden, ob sie eine elfköpfige Jury, oder das ganze Volk per Televoting abstimmen lassen. Nur Deutschland, Großbritannien und Nordirland, Österreich, Schweden und die Schweiz entschieden sich für die Demokratie. In den anderen 20 Ländern wurden die 12-1 Punkte weiterhin mit einer Jury ermittelt. 1998 sah das schon ganz anders aus. Nur Irland, Rumänien, die Türkei und Ungarn wendeten noch eine Jury an. Alle anderen 21 Nationen führten ein Televoting durch. Seit Einführung des Televotings sehen die Platzierungen der Länder ganz anders aus. Es ist viel abwechlungsreicher, wer vorne mit dabei ist und wer sich mal unten blamiert. Tendenziell sind es aber ganz andere Nationen, als vorher, die den Wettbewerb dominieren. 1999 waren es Bosnien-Herzegowina, Irland, Litauen und die Türkei, die eine Jury über die Punkte entscheiden ließen. 19 Länder stimmten mit einem Televoting ab.

1999 wurde ebenfalls eine entscheidende Regel abgeschafft; jedes Land konnte nun in einer beliebigen Sprache singen. Man musste nicht mehr bei der Amtssprache des Landes bleiben. Wenn man den ESC in Epochen einteilt, sehen viele dies als den Start der aktuellen Epoche an. Die Qualität der Musik hat sich durch die Aufhebung dieser Regel stark verbessert. Dabei hat man sich gegen die Grundsätze und für die Modernisierung entschieden. Bis heute gibt es durchaus geteilte Meinungen über diese Regeländerung.

Auch das Scoreboard wird immer moderner hier von 1999

Ab 2000 war das Televoting dann für alle Länder Pflicht. Nur wenn dies technisch nicht möglich war, musste eine Jury als Ersatz her. Dies geschah in der ehemals jugoslawischen Republik Mazedonien, Rumänien, Russland und der Türkei. In der Niederlande wurde die Ausstrahlung abgebrochen. Breaking News aufgrund eines Großbrandes waren wichtiger. Spontan stellte der niederländische Rundfunk elf Angestellte als Jury, die die gesamte Sendung sahen.

Die Jury gab es schon seit Anfang an. Man wollte sie nicht komplett verbannen. Deswegen entschied man sich 2001 für ein jeweils 50%iges Jury- und Televoting. Dabei wurden zwei individuelle Ranglisten aller Länder (Platz 1-22) erstellt. Die Platzierungen der beiden Ranglisten wurden addiert. Die zehn Länder mit den niedrigsten Summen bekamen die Punkte 12-1. Bei gleicher Summenzahl überwog die Platzierung im Televoting. Man konnte sich als Nation optional auch für ein 100%iges Televoting entscheiden. Dies sollte eigentlich Ausnahme sein, wurde jedoch von 17 Ländern praktiziert. Nur Griechenland, Kroatien und Malta führten das kombinierte Voting durch. Bosnien-Herzegowina, Russland und der Türkei fehlten die technischen Möglichkeiten. Dort gab es reines Juryvoting.

2002 führten 12 Länder ein reines Televoting. Fünf Länder mussten aufgrund fehlender technischer Mittel ein Juryvoting durchführen. Nur 7 entschieden sich für das eigentlich angedachte geteilte Voting. Was nicht funktioniert wird wieder abgeschafft. 2003 sollten alle, bei denen es möglich ist, nur noch mit Televoting abstimmen. 23 Länder taten dies. Bosnien-Herzegowina, Irland und Russland mussten auf eine Jury zurückgreifen. Um die Punkte aus Irland gab es lange Diskussionen. Das Televoting wurde nicht gewertet, weil nicht genügend Zeit in der Auswertung zur Verfügung stand. Zur Sicherheit gab es in jedem Land eine Jury, dessen Voting als Ersatz dienen sollte, falls das Televoting, aus welchem Grund auch immer, nicht gewertet werden kann. Die entscheidung der irischen Rundfunkanstalt war regelkonform, dennoch beschwerte sich Russland, welches an Stelle von Belgien #2. geworden wäre, wenn das Televoting gewertet worden wäre. Die Regeln sind so wie sie sind, entsprechend gilt Russland 2003 "nur" als Drittplatzierter, mit einem Punkt weniger als Belgien und drei Punkten weniger, als die Türkei. Am Sieg hätte das Irische Televoting nichts geändert.

San Marino hat kein eigenes Telefonnetz und bis 2016 immer 100%iges Juryvoting

Ab 2004 gab es nur noch reines Televoting. Die Regeln für einen Punktgleichstand wurden ebenfalls geändert. Das Land, das aus mehr verschiedenen Ländern Punkte erhalten hat, sollte die bessere Platzierung bekommen. Wenn dieses Kriterium gleich war, galt das Land als besser, welches öfter 12 Punkte erhalten hat. Dann wer öfter 10 Punkte bekam u.s.w.. Wenn totaler Gleichstand herrschte, gab es eine geteilte Platzierung. Weil immer so viele interessierte Länder aussetzen mussten, führte man das Halbfinale ein. Die ersten 10 Länder zogen zu den anderen 14 gesetzten Ländern, mit besseren Ergebnissen in den letzten Jahren, ins Finale ein. Die Plätze 11-22 wurden inklusive Punktzahl direkt im Halbfinale verkündet. Die ersten zehn Platzierungen wurden nach dem Finale veröffentlicht, um die Spannung zu halten und das Ergebnis nicht zu beeinflussen.

2008 erweiterte man das Feld auf 2 Halbfinals. In jedem Halbfinale waren nur die teilnehmenden Länder und die Hälfte der Pre-qualifizierten Länder stimmberechtigt. Die 9 bestplatzierten Länder zogen in das Finale ein. Ein weiterer Platz wurde in beiden Halbfinals an das in Juryvoting bestplatzierte, noch nicht weitergekommene, Land vergeben. Alle Ergebnisse der Halbfinals wurden erst nach dem Finale veröffentlicht.

Das sogenannte Freundschaftsvoting geriet außer Kontrolle und dominierte zu stark. Um das wieder zu mindern, führte man ab 2009 die Jurys wieder ein. Jedes Land musste das 2002 und 2003 angesetzte, geteilte Voting durchführen. Großer Unterschied war, dass es nur noch fünf Jurymitglieder pro Nation gibt, die nur zur Hälfte nach persönlichem Geschmack und zur Hälfte nach vorgegebenen Kriterien abstimmen müssen. Außerdem gibt es sämtliche Ansprüche, die die Jurymitglieder erfüllen müssen. U.a. dass sie eine musikalische Profession haben müssen und in Alter, Geschlecht u.ä. sehr unterschiedlich sein müssen, um ein gesamtes Volk repräsentieren zu können. Jedes Jurymitglied macht seine eigene Rangliste aller Nationen. Dabei darf sich nicht abgesprochen werden. Als Jurymitglied darf man sich auch nicht äußern, wie man zu einem Beitrag steht. Andernfalls folgt eine Suspendierung des Amtes. Die Platzierungen der Ranglisten werden addiert. Je kleiner die Summe, desto höher die Platzierung. Bei Gleichstand entscheidet die Wertung des zuvor festgelegten Jurykopfes. Anschließend werden, wie schon 2002 und 2003 das Juryvoting und Televoting kombiniert. 2010 wurde nur geändert, dass die 10 Bestplatzierten aus den Halbfinals weiterkommen (und nicht mehr 9+1 von der Jury).

Lena bei ihrem Versprecher 2013

Seit 2014 werden die "split Votings" direkt nach dem Finale veröffentlicht. Jeder kann nun bis auf's kleinste Detail die Wertung jeden Jurymitgliedes einsehen und auch alle Platzierungen im Televoting aus jedem Land nachschauen. Hauptgrund dafür waren Gerüchte über Bestechungen mancher Jurymitglieder. Wer also behauptet dass Stimmen erkauft werden, braucht nur einmal in die Listen gucken und sieht dass es nicht so ist. 2016 gab es dann die größte Änderung am Votingsystem seit 1971. Das Tele- und Juryvoting werden nun nicht mehr kombiniert, sondern einzeln gezählt. Jedes Land vergibt somit zwei mal die 12-1 Punkte. Ein mal für die Top Ten der nationalen Jury und ein mal für die Top Ten des nationalen Televotings. Damit kann ein Land bis zu 24 Punkte an ein anderes geben. Hauptgrund dafür dürfte sein dass Schweden Gastgeber war und Jon Ola Sand die letzte 3/4 Stunde der Show "unterhaltsamer" machen wollte. Er hat es geschafft, dass das Votingprinzip des Schwedischen Vorentscheides "Melodifestivalen" auch bei der Eurovision angewendet wird. Diese Änderung des Systems ist durchaus sehr umstritten. Viele sehen es als den größten Fehler in der Geschichte der Eurovision an. Warum sollte man auch etwas ändern was seit fast einem halben Jahrhundert wunderbar funktioniert und den ESC zu der größten Fernsehshow der Welt gemacht hat?

Neben dem Votingsystem gab es auch viele andere Regeln die sich verändert und angepasst haben. Ein kleiner Überblick über ds wichtigste, was man als ESC-Fan wissen sollte, folgen hier. Teilweise waren diese Regeln vor wenigen Jahren noch anders. Alles beruht auf dem Stand vom 62. Eurovision Song Contest 2017 Celebrate Diversity in Kiew. Trotz aller Bemühungen auf Richtigkeit, sind alle Angaben auf dieser Website ohne Gewähr.

2011 hat man es geschafft Italien zu überreden zum ESC zurückzukehren. Zuletzt waren sie 1997 dabei. Dabei stellte Italien einige Bedingungen. U.a. dass sie zu den Big 4 aufgenommen werden. Deswegen sind seit 2011 nicht nur Der Gastgeber (i.d.R. auch Titelverteidiger), Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Nordirland und Spanien, sondern auch Italien direkt für das Finale gesetzt. Diese Länder werden der Einfachheit halber auch "Big 5" genannt.

Für das eigene Land kann nicht abgestimmt werden.

Bei der Startreihenfolge der Halbfinals wird im Januar ausgelost wer in der ersten und wer in der zweiten Hälfte antreten muss. Wenn die Beiträge vollständig feststehen wird nach dramaturgischen Kriterien von Produzenten und Wissenschaftlern die genaue Reihenfolge entschieden. Anschließend wird noch von Unabhängigen überprüft, ob dies ausschließlich unparteilich geschah. Gleiches Prinzip gilt für das Finale, mit dem Unterschied dass die Auslosung(en) auf den Pressekonferenzen der Veranstaltungshalle durchgeführt wird.

Die Jury stimmt in den Juryhalbfinals und dem Juryfinale, jeweils am Abend vor der TV-Show, im eingenen Land ab. Die Show wird ihnen per verschlüsseltem Satellitensignal übermittelt. Das Televoting erfolgt in einem 15-Minütigen Zeitfenster während der Show, nach der Performance aller Länder.

Bei technischem Versagen, oder anderen Gründen, die kein Regelerfüllendes Televoting hervorbringen können, wird das Televoting durch einen Querschnitt zuvor festgelegter Länder ersetzt. Die Liste dieser Länder soll ganz Europa gut repräsentieren und wird jedes Jahr auf Grundlage der Votingergebnisse der vergangenen Jahre neu erstellt.

Wenn die unabhängigen, verantwortlichen "Schiedsrichter" Regelverstöße beim Juryvoting beobachtet haben, wird dies Ebenfalls durch einen zuvor festgelegten Querschnitt ersetzt. Seit Einführung dieser Regel (2016) kam es nie zu einem solchen Fall. In den Jahren zuvor gab es fast immer mindestens ein ungültiges Juryoting. Bis dahin zählte für das entsprechende Land zu 100% das Televoting. Gleiche Regelung galt andersherum beim Televoting.

Die Einteilung der Halbfinals wird ausgelost. Dabei werden die Länder von Wissenschaftlern in Töpfe eingeteilt, entsprechend ihrem Votingverhalten der vergangenen Jahre. Dies wird getan um "Freundschaftspunkte" möglichst zu meiden. Entgegen "Freundschaftspunkten" gibt es seit 2009 immer mehr Regeln. Viele sehen es als eines der Hauptprobleme des ESC's an.

Alle die direkt an der Bühnenshow beteiligt sind, sprich auf der Bühne stehen, oder live hinter der Bühne singen, müssen am Tag ihres Halbfinals mindestens 16 Jahre alt sein. Andere Mitglieder der Delegationen dürfen auch jünger sein. In der Praxis kommt dies aber nicht vor.

Jeder der direkt an der Bühnenshow, oder dem Playback beteiligt ist, darf nur für ein Land antreten. Alle anderen dürfen in mehreren Delegationen vertreten sein. Dies kommt vor allem bei Komponisten und Stage Designern vor.

Es dürfen höchstens sechs Personen direkt an der Bühnenshow beteiligt sein. Diese Regel hat historisch gesehen sehr große Bedeutung. Anfangs waren nur Solokünstler erlaubt. Bis heute ist die Personenbegrenzung eine der meistdiskutierten Regeln. Die Zahl von sechs Personen wird in fast jedem Fall komplett ausgenutzt, wobei davon oft nicht alle auf der Bühne stehen.

Lebende Tiere sind nicht erlaubt.

Der Auftritt muss mit Halbplayback vollzogen werden.

Die Länge des Musikstücks ist auf 3 Minuten und (gerundet) 3 Sekunden begrenzt.

Der Song mit dem angetreten wird, darf nicht vor dem 01.09. des Vorjahres veröffentlicht worden sein. Diese Regel führt jedes Jahr zu sämtlichen Disqualifikationen in den Vorentscheiden. Sie ist auch deutlich genauer definiert. Für Streitfälle bitte in das offizielle Regelwerk der EBU schauen.

Bis zu einem festgelegten Termin (im März) muss der Song in seiner endgültigen Fassung, inklusive Preview Video und Bühnenshowkonzept bei der EBU auf einem Delegationstreffen eingereicht werden. Für die gesamte Konkurrenz muss das Material ab diesem Zeitpunkt einsehbar sein.

Die Sprache in der gesungen wird darf frei entschieden werden. Es dürfen auch mehrere Sprachen oder eine Fantasiesprache gesungen werden. Gesang muss nicht zwingend enthalten sein. Im Falle von keinem Gesang muss mindestens ein Instrument live gespielt werden.

Jegliche Gesten, Symbole, Songtexte u.ä., die Werbung für Unternehmen, Produkte und Dienstleistungen machen, sind im Rahmen der gesamten Veranstaltung untersagt.

Jegliche Gesten, Symbole, Songtexte u.ä., die eine politische Aussage oder Botschaft enthalten, sind im Rahmen der gesamten Veranstaltung strengstens untersagt und werden mit hohen Strafen belegt.

Wenn eine Rundfunkanstalt einen Regelverstoß sieht, der von der EBU nicht geahndet wird, kann dieser Klage einlegen. Die EBU überprüft dann den eventuellen Regelverstoß und handelt entsprechend.

Offizieller Gewinner des Eurovision Song Contests ist der Komponist bzw. die Komponisten des Gewinnersongs.

Jede Rundfunkanstalt, die teilnehmen möchte, muss eine Teilnahmegebühr bezahlen, um den ESC finanzieren zu können. Die EBU ist ein non-Profit-Untrnehmen. Am Jahresende machen sie weder Gewinne noch Verluste. Die Startgelder decken lediglich die benötigten Kosten ab. Die Kosten zur Erstellung des Beitrages, muss jede Rundfunkanstalt eigenständig bezahlen. Dazu gehören u.a. auch Flug- und Hotelkosten und das Erstellen der Kostüme und Bühnenbild. Diese "Nebenkosten" sind in den meisten Ländern höher, als die Teilnahmegebühr. Welches Land wie viel bezahlen muss hängt davon ab wie intensiv die Rundfunkanstalt die Angebote der EBU nutzt. Dazu gehören vor allem Nachrichtenmaterial und die Rechte für Sportübertragungen. Die Wirtschaft des Landes spielt auch eine Rolle. Für alles gibt es Punkte, die die Länder im Laufe des Jahres ansammeln. Der benötigte Betrag wird prozentual auf die Punkte verteilt. So kommen teilweise sehr unterschiedliche Kosten zustande. In seltenen Fällen geben die Rundfunkanstalten ihre Teilnahmegebühr bekannt.

So musste z.B. Montenegro 2012 nur 23.000 € Startgeld bezahlen, die Niederlande 2016 hingegen 250.00 €. Für die Big 5-Mitglieder gibt es einen großen Aufschlag. Dafür sind sie jedes Jahr sicher im Finale. Deutschland bezahlte, bis Australien dazu kam, immer am meisten. 2015 waren es 363.500 €. 2017 380.000 €. Für den höchsten Betrag muss jedoch die gastgebende Rundfunkunion aufkommen. Dieser ist immer siebenstellig.

Ein Sieg ist teuer - Die Bühne von Düsseldorf

Viele Länder sehen den ESC gar nicht als finanzielle Belastung an. Oft bringt er mehr Geld durch mehr Touristen ins Land, als er gekostet hat. Es ist eine tolle Möglichkeit sein Land für die Öffentlichkeit zu präsentieren. In Deutschland freut man sich weniger über das Touristenaufkommen und mehr über den günstigen Unterhaltungsabend mit Rekordeinschaltquoten. Das Geld das die ARD für den ESC ausgibt ist weniger, als sie für manch eine andere Show ausgeben müssen. Es füllt sieben Stunden Live-Unterhaltung an einem Samstagabend und beschert einen Marktanteil, den nur Fußballspiele toppen können. Kritik daran dass es zu viel kostet kann die ARD nicht nachvollziehen. Anderes kostet mehr und hat einen viel kleineren Effekt. Außerdem stärkt es das Identitätsgefühl der Deutschen, was eine der Hauptaufgaben von öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten ist. Durch das zusammenarbeiten so vieler Rundfunkanstalten erzeugt man eine Show mit unschlagbarem Unterhaltungsgrad. Dazu möchte und muss man ebenfalls beitragen. Egal welche Ergebnisse Deutschland erzielt, sich vom ESC zurückzuziehen ist keine Option.

Ich hoffe dass du Entscheidungen beim Eurovision Song Contest nun besser verstehst, weißt warum das Votingsystem so ist, wie es ist, und immer im Auge hast, dass Regeln und Entscheidungen auf den Grundsätzen des Wettbewerbs aufbauen. Im nächsten Teil erkläre ich was für Phasen das ESC-Jahr hat und was alles passiert. Das ist viel mehr als du dir jetzt vielleicht noch denkst. Dann kannst du dich darauf freuen wenn der leere Sommer vorbei ist und es haufenweise neue Nachrichten gibt, über die ich selbstverständlich mit Passion berichten werde.

Zum Abschluss habe ich noch passend zum Punktesystem den "12 Point Song", der beim ESC 2014 eingespielt wurde und von den damaligen Moderatoren Nikolaj Koppel, Pilou Asbæk und Lise Rønne gesungen wird.

12 Point Song - Nikolaj Koppel, Pilou Asbæk & Lise Rønne

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