Mittwoch, 21. Juni 2017

Kommentar: Was Deutschland ändern muss!

Jetzt, wo wir wissen, dass der beliebteste Vorentscheid Europas unverändert bleibt, folgt mein mehrfach angekündigter Kommentar dazu, was wir in Deutschland ändern müssen, um an einen Erfolg, wie Schweden ihn hat heranzukommen.

Wir sind die Nation, die am häufigsten dabei war. 61 mal in 62 Wettbewerben. Nur 1996 haben wir die Qualifikation nicht überstanden, woraufhin der ESC fast zu Brüche gegangen ist und ab dem Folgejahr die "Big 4" eingeführt wurden, die seit 2011 die "Big 5" sind. In den 61 Teilnahmen haben wir 2 mal gewonnen, wurden 4 mal Zweiter und 5 mal 3., wir sind in den Top 10 der Ewigen Liste. Unser letzter Sieg liegt gerade einmal 7 Jahre zurück. So viel Ruhm und Erfolg und doch reden alle davon dass wir so schlecht sind. Das liegt wohl an unserer 5-Jahres-Bilzanz. Durchschnittlich Platz 23,4, bei 26,2 Finalisten. Zwei mal Letzter, ein mal Vorletzter. Wir haben schon glorreichere Zeiten erlebt. Die goldene Zeit von 1977-1987 scheint so fern wie vielleicht noch nie.

Verantwortlich ist dafür der NDR, der seit 1992 der deutsche Sender für den Eurovision Song Contest ist. Vorher waren es NWDR, hr, WDR, SWF, (1965 NDR) SFB und der MDR. 1991 bestand vom SFB eine Kooperation mit DFF. Eine solche Kooperation gab es auch 2010, 2011 und 2012, in den einzigen Jahren seit längerer Zeit, in denen wir wirklich erfolgreich waren. Es muss nicht am Sender liegen, kann aber durchaus sein. Stefan Raab hat in diesen drei Jahren einen wesentlichen Teil beigetragen. Ob es ohne ihn diese Platzierungen gegeben hätte ist unklar. Der NDR steht momentan im Dialog mit Stefan Raab, seine Rückkehr dürfte aber recht unwahrscheinlich sein. Ein Land wie Deutschland muss doch in der Lage sein, ohne diese eine Person einen vernünftigen Beitrag auf die Bühne zu bringen, der Europa überzeugt.

Klar ist, wir stecken in einer ESC-Krise. Wenn man nur auf die letzten drei Jahre schaut, ist es die größte Kriese, die wir jemals hatten. Der NDR sagt erneut dass sie mit diesem Ergebnis nicht gerechnet haben, Schadensanalyse betreiben und den Auswahlprozess völlig umstrukturieren werden. Das haben wir schon die letzten beiden Jahre gehört. Man sieht dass sie etwas tun, aber so ganz richtig ist das offensichtlich nicht. Irgendwie trifft der NDR immer die falschen Entscheidungen.

Das beste Beispiel dafür ist Xavier Naidoo. Am 19.11.2015 wurde verkündet dass er 2016 für Deutschland antreten soll. Daraufhin folgte ein Shitstorm enormen Ausmaßes. Es gab in der Vergangenheit häufig politische Aussagen und Aktionen von ihm, die nicht gerade auf Zustimmung der Allgemeinheit stoßen. Pünktlich zum ESC 2017 erschien eine Single von ihm, die alles auf die Spitze getrieben hat. In "Marionetten" bezeichnet er jeden Bundestagsabgeordneten als Volksverräter, ruft ganz klar zu Gewalt gegen Politiker auf und spricht sich für ein diktatorisches System aus. Wie er damit Sympathiepunkte gewinnen möchte ist mir fragwürdig. Ob der Zeitpunkt zum ESC beabsichtigt war, ist unklar. Vielleicht ist es auch als Protest von ihm anzusehen.

Xavier Naidoo ist nicht der erste Fall, der zu Beschwerden und Unmut in der Bevölkerung geführt hat. Jedes mal, wenn vom deutschen Rundfunk eine interne Auswahl des Sängers angedacht war, wurde sich dagegen aufgelehnt. Zuletzt 2011, als Lena ihren bzw. unseren Titel verteidigen wollte. Eins sollten sie nun endlich begriffen haben: Die Deutschen wollen keine interne Künstlerauswahl, sondern einen Vorentscheid in dem sie alles selbst bestimmen können. Nur was für einen? Welche Form von Vorentscheid ist auch über die Grenzen hinaus erfolgreich? Mit welchem Format können wir die besten Sänger und Komponisten erreichen und ein gutes Ergebnis bei der Eurovision erzielen?

Genau das fragen sich die Köfpe in der ARD und beim NDR auch. Deswegen haben sie sich direkt nach dem diesjährigen Finale zusammengesetzt, Fehleranalyse betrieben und ein neues Konzept entwickelt, mit dem Deutschland groß rauskommen soll. Das hat etwa einen Monat gedauert. Die Ergebnisse wurden noch nicht präsentiert, man ist aber von sich begeistert und glaubt den großen Wurf machen zu können. Hier sind meine Vorschläge bzw. Hoffnungen, wie das neue Konzept aussieht:

Schon vor vielen Jahren hat die ARD das Format der Melodifestivalen teuer von SVT gekauft. Umgesetzt haben sie es nie. Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt! Was wir jetzt brauchen, ist ein Vorentscheid in großem Umfang, der die Massen begeistert und die besten Sänger und Komponisten anlockt. Klingt ganz nach Melodifestivalen. Es muss keine Tour durch das ganze Land geben und die Aufmachung könnte auch ganz anders sein. Das Rundenkonzept könnte man gegebenenfalls auch ein wenig abwandeln, aber es muss über mehrere Shows gehen und mehrere Runden haben. Der Beitrag im Gesamten muss betrachtet werden, sprich der Song an sich, inklusive Sänger. Es bringt nichts beides parallel auszuwählen und dann zusammenzubasteln.

Auch eine dazugehörige Bühnenshow ist notwendig. Die beeinflusst das Ergebnis stark. In den letzten Jahren gab es für die meisten Beiträge keine genau festgelegte oder auch nur irgendeine Show. Das war ein großer Fehler, denn der Vorentscheid braucht einen hochen Unterhaltungswert, damit viele Leute zusehen und es sich für die besten Künstler der Nation lohnt teilzunehmen. Genau da hakt es nämlich. Wir brauchen bessere Qualität beim Vorentscheid. Momentan lohnt es sich für sehr erfolgreiche Musiker nicht dort aufzukreuzen. Wenn wir das ändern, haben wir eine große Auswahl an vielen guten Beiträgen. Die Größe der Auswahl ist auch wichtig. Wir brauchen mehr als zwei Songs...

Bei so wenigen Beiträgen, die in die Show genommen werden, bleibt das beste meist in der Vorauswahl hängen. So bestimmt auch dieses Jahr. Wenn wir eine ähnliche Teilnehmerzahl haben, wie bei den Melodifestivalen (28) dürfte das nicht mehr passieren. Bei einer Wahl zwischen Schrott und Schrott kommt eben auch nur Schrott raus, egal wie gut der Vorentscheid an sich ist.

Ich prsönlich würde zusätzlich noch das Votingprinzip von "Unser Star für Baku" empfehlen. In dem Jahr waren die Quoten besonders hoch, weil es ein Vorentscheid mit vielen Runden und einer großen Auswahl war. Das unterhaltsamste der Sendung bietete die Anzeige am Rand, an der man ablesen konnte wer gerade wie viel Prozent der Anrufe hat, wer entsprechend ausscheiden würde und für wen man besser noch mal anrufen sollte. ARD und ProSieben berichteten, dass sie Anruferzahlen wie nie zuvor aufweisen konnten. Außerdem gibt es kein "Favoritensterben", weil jeder denkt, dass die anderen schon anrufen. Es war für alle eine win-win-Situation, die man wiederholen sollte. In dem Jahr belegten wir übrigens den 8. Platz, der letzte Erfolg Deutschlands...

Ich glaube die Botschaft ist angekommen und wer weiß, vielleicht kann ich tatsächlich etwas bewirken, wie es mir vermutlich schon bei der diesjährigen TV-Übertragung der Halbfinals gelungen ist, als ich der Redaktion von ONE ihre großen Fehler aufgezeigt und erklärt habe. Vielleicht geriet das hier in die richtigen Hände, noch kann man alles ändern - aber bitte ins richtige. Auf eine erfolgreiche und passionierte ESC-Saison für Deutschland!

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