Montag, 8. Mai 2017

Über Skandale, Erfolgslosigkeit und Unverständnis

Hier ist auch schon mein erster richtiger Post. Die Proben im International Exhibition Centre sind vorbei, der Delegationsempfang auf dem Roten Teppich ist über die Bühne und die Eröffnungszeremonie hat ebenfalls das Voting für den 62. Eurovision Song Contest 2017 Celebrate Diversity in Kiev freigegeben. Heute findet das erste Juryhalbfinale statt, Zeit um sich über die diesjährigen Beiträge auszulassen. Dabei meine ich alles liebevoll und habe durchaus Respekt vor der Arbeit die die Delegationen getan haben, wie du weißt liebe ich den ESC.

Wo fange ich am besten an? Bei SPANIEN, dem Land dass direkt hinter uns, auf Platz 11 der Ewigen Liste, steht und uns in den letzten Jahren jedes mal Angst gemacht hat, unsere Top 10 Platzierung an sie abgeben zu müssen. Am Ende landete der spanische Beitrag immer deutlich weiter unten als erwartet. Dieses Jahr ist das wohl kaum möglich, denn die Erwartungen der Allgemeinheit an die Platzierung von Do it for your Lover liegt in etwa beim letzten Platz und ich muss da leider sagen dass dies völlig zu Recht ist. Der Beitrag wird von manchen noch als ganz nett angesehen, aber das reicht nicht um die Leute vor ihren Fernsehgeräten dazu zu bringen anzurufen. Wenn man an den Vorentscheid Objetivo Eurovision denkt, sind die Worte "ganz nett" unpassend. Der Song Contigo von Mirela ging als klarer Favorit ins Rennen und konnte das Televoting auch für sich entscheiden. Die dreiköpfige Jury war jedoch viel eher vom Sunny Boy begeistert, so dass es zu einem Punktegleichstand kam. Irritiert entschied der Sender TVE daraufhin dass die Jury doch einfach entscheiden soll wer Spanien repräsentieren soll. Das war ein großer Fehler. Natürlich gewann Manel Navarro die Gunst der Jury, was zu lauten Protesten des Publikums führte. Es ging sogar so weit, dass ein paar Tage später das spanische Parlament versucht hat den Beitrag aufzuhalten - leider ohne Erfolg. Und so steht Spanien nun mit einer verhassten Nummer da, der null Chancen auf eine Top 20 Platzierung ausgerechnet werden. Das hat das Land nicht verdient, doch jetzt wäre es wirklich gut wenn Spanien das Schlusslicht auf der 26 bildet und TVE damit einen Denkzettel verpasst. Die scheinen aber bereits gelernt zu haben, und mit ihrer neuen Delegationsleiterin Ana Maria Bordas etwas ganz neues zur zukünftigen Beitragswahl zu planen. Sie hat das Amt übernommen, nachdem Federico Llanos aufgrund des Skandalvorentscheids nicht mehr bereit war so mit TVE zusammen zu arbeiten.

Skandalvorentscheid. Bei dem Wort springt mir sofort WEIßRUSSLAND in den Kopf. Zu meiner Verwunderung stehe ich damit wohl alleine da. Weißrussland versucht seit einigen Jahren mit großen Bemühungen einen Beitrag in Landessprache hervorzubringen, möchte dies angeblich aber nicht um jeden Preis auf biegen und brechen tun. Der weißrussische Vorentscheid ist nicht gerade von vielen qualitativ hochwertigen Beiträgen geprägt, was vor allem an der geringen Bewerberzahl liegt. Dieses Jahr wurden 13 Songs für die Show am 20.01. ausgewählt. Historyja majho žyccia belegte den 5. Platz im Televoting. Die Jury aber vergab die Höchstwertung. Ich gehe stark davon aus, dass der Sender dies vorgeschrieben hat. Er möchte ja so gerne einen weißrussisch sprachigen Beitrag bei der Eurovision haben. Die 18 Punkte (6+12) reichten tatsächlich aus um die Spitze des Tableaus zu erklimmen. Ich frage mich ob BTRC ernsthaft denkt dass sie mit einem im Mittelfeld platzierten Liedchen bei einem schlechten Vorentscheid gute Chancen haben. Ich sehe das eindeutig als Skandalvoting an, auch die restlichen Punkte der Jury wirken mehr ausgelost als nach Geschmack vergeben und haben kaum bis keine Ähnlichkeiten mit den Televotingpunkten. Ich persönlich finde das Lied an sich oft schon fast nervig und das unabhängig vom Vorentscheid. Ich verstehe nicht warum Europa da so drauf abfährt. Wie sie diese Woche in Kiew abschneiden werden kann ich nur schwer einschätzen, ich hoffe nur dass sie Künstlern, die viel größere Werke erschaffen haben und es viel mehr verdient haben, nicht Punkte und Startplatz im Finale wegnehmen.

Machen wir mit einem weiteren sehr schwachen Land in der Eurovision weiter; TSCHECHIEN. Nach dem letzten, viertletzten und vorletzten Platz in den Jahren 2007-2009 hat man verständlicher Weise auf weitere Teilnahmen verzichtet. Ein Wechsel in den Führungspositionen des Senders CT brachte die Nation überraschend zum Wettbewerb zurück. 2015 machte man gute Arbeit, die jedoch nicht ganz für das Finale reichte. Letztes Jahr hat man dann mit einem 9. Platz im Halbfinale das ganz große Ziel geschafft und das Finale erreicht, um den ESC im Land populär zu machen. Das endete aber mit null Punkten aus dem Televoting, was bei dem neuen Votingsystem schon fast unmöglich ist... Dieses Jahr mussten sie also alles geben und was gutes auf die Beine stellen, dann schafften sie den Durchbruch im eigenen Land. Sie haben aber auf ganzer Linie versagt. Man ist sich einig dass dieser Beitrag als chancenlos auf ein Finalticket bezeichnet werden kann. Die Intelligenz und das Feingefühl der Verantwortlichen schätze ich so hoch ein, dass sie bei dem Titel merken sollten, ob das Europa begeistern kann und sich um einen neuen zu kümmern, wenn sie diese Frage mit "nein" beantworten. Es wird sich sehr drum bemüht dem ESC in Tschechien einen besseren Ruf zu verpassen, dann erwarte ich auch ein bisschen Engagement bei dem wichtigsten, der Auswahl des Beitrages. Leider kann ich von diesem Engagement dieses Jahr nichts sehen. Ich finde es traurig, dass Tschechien wieder ein so schlechtes Ergebnis einfahren muss und wünsche mir sehr dass es ab nächstem Jahr wieder besser wird.

Einen ähnlichen Beitrag hat die eurovisionsverrückte Nation MALTA im Gepäck. Auch wenn das oft gehörtes Geschwafel ist, schließe ich mich der eindeutigen Mehrheit an, die sagt dass dieser Song nur wegen Claudia Faniello den Vorentscheid Malta Song for Europe gewonnen hat. Sie hatte schon viel bessere Titel im Rennen und man wünscht ihr nicht so ein schlechtes Ergebnis, ohne Finalteilnahme, nachdem sie über ein Jahrzehnt darum gekämpft hat zur Eurovision fahren zu dürfen.

Das Beste kommt zum Schluss. Nicht weit von Malta entfernt liegt ein Land das ich dieses Jahr beim beseten Willen einfach nicht verstehen kann. ITALIEN gilt (auch nach den Proben) als größter Favorit auf die Trophäe (was uns übrigens ebenfalls aus den Top 10 der vorhin angesprochenen Ewigen Liste werfen würde). Als der italienische Beitrag feststand, habe ich gedacht dass es sich wieder nur um ein weiteres typsches San Remo-Festival Liedchen handelt. Ich dachte Italien wird schlecht abschneiden, wie gewohnt. Den Hype, den es um das Lied gab habe ich viele Tage lang gar nicht wahrgenommen. Voller Unverständnis bin ich aber davon ausgegangen dass es einen anderen Sieger geben wird. Heute bin ich mir da nicht mehr so sicher. Musikalisch gesehen ist dieses Lied nichts. Es herrscht keine Harmonie der Instrumente, die Stimme passt nicht dazu, es ist viel zu "leicht" produziert, für den ESC, so dass es wie ein Do it for your Lover völlig untergeht (ja, ich sehe kaum Unterschiede zwischen diesen beiden Songs), die Melodie - welche Melodie? Man brauchte noch eine Melodie, deswegen hat der Komponist versucht sich krampfhaft irgendwas aus den Fingern zu saugen, genau so klingt es. Der Text ist auch keine Offenbarung der Weltgeschichte. Besser als über eine Taschenlampe (Polen), Papier (Island) oder einen schwarzen Vogel der endlich aufhören soll zu singen (Finnland) zu singen, ist es schon, aber die meisten Songs haben eine deutlich bessere Botschaft, viel tiefgründigere Texte und kein Thema das in der Politik diskutiert werden könnte, aber bei einem Fest in dem alles unter dem Motto Celebrate Diversity steht, völlig fehl am Platz ist. Seine Bewegungen auf der Bühne erinnern mich an Portugal, allerdings passt es bei Salvador Sobral zum Song und er bewegt sich so wie er gerade durch die Musik fühlt. Francesco Gabbani wirkt mit seinen random Zuckungen aber eher wie jemand, der die Favoritenrolle hat und jetzt auf Teufel komm raus eine gute Performance braucht. Es wirkt schon fast lächerlich was er da tut und sympathisch kommt er nun wirklich nicht rüber, ganz im Gegenteil. Der komische Dancemove, der den Auftritt prägt ist einfach nur langweilig und in dem Anzug, den er trägt schlecht umsetzbar. Dann taucht da plötzlich dieser Affe auf, was kein Zuschauer verstehen wird, da niemand den Text versteht und sich duch das schlicht-langweilige Staging auch nicht erahnen lässt wörüber der Herr dort singen könnte. Ein Affe ohne ersichtlichen Grund oder Bedeutung. Beim Staging von Aserbaidschan würde das sogar noch gut wirken weil es zu diesem verständnislosen, aber dann doch interessanten und begeisternden Beautiful Mess passt, bei Italien denkt der Zuschauer aber eher darüber nach wie sehr der Mann im Affenkostüm schwitzt, als welche Nummer die von Italien war um sie zu wählen und anzurufen. Ich kann kein noch so kleines Detail erkennen, das mir erklärt warum so viele diesen Beitrag so lieben. Ich hoffe einfach nur dass Europa sich am Samstag nicht verwählt, gute Musik damit ehrt dafür zu stimmen und schlechte Musik im Televoting und im Juryvoting nicht dominiert. Gleichzeitig denke ich dass Europa das nicht hinbekommen wird und des am Ende heißen könnte "The winner is... ITALY!"

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