Donnerstag, 9. Mai 2019

Meine Gedanken nach dem letzten Schultag meines Lebens

Keine Sorge, die Berichte für die Proben von heute kommen alle noch. Ich hatte heute meinen letzten Schultag, was mich lange beschäftigt hat. Deshalb habe ich mich noch nicht mit den Proben in Tel Aviv auseinandergesetzt, das mache ich aber gleich, wenn ich diesen Post geschrieben habe und dann die ganze Nacht durch. Jetzt habe ich ja lange Zeit frei, auch wenn ich für organisatorische Termine und die mündliche Prüfung noch ein paar Mal zur Schule kommen muss. Unterricht habe ich nie mehr.

Bevor ich mich an die ESC-Proben setze, möchte ich diesen Blogeintrag schreiben. Das ist mein Blog, hier kann ich machen was ich möchte, und auch für Posts wie diesen, habe ich diesen Blog geschaffen. Über den ESC zu berichten ist nur ein Hobby von mir. Ich mache es weil es mich glücklich macht. Ich mache es aber auch nur wenn ich Zeit und Lust dazu habe, denn Pflichten gehen im Leben nun mal vor, sonst würde unsere Gesellschaft nicht existieren. Ich bekomme keinen Cent für all die Arbeit, die ich in Eurovision Passion stecke, also zwinge ich mich nicht selber dazu hier zu schreiben wenn ich das nicht möchte, weil mir andere Dinge wichtiger sind und das waren sie heute für mich. Außerdem laufen die Proben ja nicht weg. Es ist alles, was ich für die Berichte brauche, im World Wide Web gespeichert.

Vor drei Jahren habe ich mich ähnlich gefühlt. Damals habe ich die 10. Klasse absolviert und den Realschulabschluss geschrieben. Für die Oberstufe musste ich auf eine andere Schule wechseln, weil meine alte Schule keine Oberstufe hat. Das war auch sehr gut für mich, so konnte ich einen kompletten Neuanfang in meinem Leben starten. Mit dem bisherigen war ich auf sozialer Ebene sehr unzufrieden.

Ich habe also die Schule im Prinzip abgeschlossen. Einen Hauptschulabschluss hatte ich nie erworben, es war also mein erster Schulabschluss. Mit diesem konnte ich jetzt raus in die weite Welt gehen und machen was ich wollte. Ich war nicht mehr gezwungen, mich dem staatlichen System Schule zu unterziehen. Zwar wusste ich schon in der Grundschule, dass ich Abitur machen wollte, aber Oberstufe ist anders, als das was man vorher in der Schule gemacht hat. Außerdem gingen die Wege von mir und meinen Klassenkameraden nun auseinander. Zwei aus meiner Klasse der alten Schule, gingen in die gleiche Oberstufenklasse, wie ich. Zwei weitere gingen immerhin auf die gleiche Schule. Alle anderen sind auf andere Schulen gewechselt, oder haben eine Ausbildung angefangen. Nach meinem letzten Schultag wusste ich, dass ich diese Klasse nie wieder sehen werde, wenn man mal von der Abschlusszeugnisverleihung und dem Abschlussball absieht. Auch wenn ich nicht so wirklich Freunde in der Klasse hatte und gemobbt wurde, gab es doch ein paar Schüler, die ich sehr mochte. Nie habe ich mit denen mehr gemacht, als selten mal ein Gespräch zu führen, trotzdem war dieser Abschied des letzten Schultages sehr schwer für mich. Ich habe diese Leute verloren und wusste ganz genau, dass wir keinen Kontakt halten werden. An dem Tag und den folgenden Tagen, habe ich deshalb viel geweint. Eigentlich wollte ich nicht weg, auch wenn ich sehr froh über die guten Noten in meinem Abschluss und darüber, dass ich jetzt drei Monate Sommerferien hatte, war, und ich mich freute auf der Oberstufe endlich Unterricht auf einem wissenschaftlichen Niveau zu machen.

Heute, an meinem endgültig letzten Schultag, ist das anders. Ich bin nicht wirklich traurig, sodass ich weine. Es ist ein ganz komisches Gefühl, das durch mich geht. Zu meiner Klasse auf der Oberstufe habe ich keine großen sozialen Verbindungen. Ich habe drei Freunde in dieser Klasse, bei denen ich mir ziemlich sicher bin, dass wir nicht lange Kontakt halten werden. Zudem gibt es ganz wenige mit denen ich mich gut verstehe, bei dem Großteil der Klasse bin ich ganz froh, dass ich sie nicht mehr sehen muss.

Außerhalb meiner Klasse gibt es aber viele auf der Schule, die ich sehr mag und die ich nun verliere. Ich habe fast alle Pausen in einem Raum verbracht, in dem ein paar alte Sofas stehen und nur Schüler der Oberstufe rein dürfen. Dort kommen nur Leute hin, die so verrückt sind wie ich. Sonderexemplare des Typus Mensch, die nicht in diese Welt passen. Dort gibt es eine Quote an Heterosexuellen von unter 50%. Wir haben dort so viele tolle Gespräche geführt, die man mit normalen Menschen nicht führen könnte. Jeder mag jeden, je spezieller eine Person ist, desto besser. Das anders sein, sei es weil man ein Nerd, Gothik Fan, ein eigenartiges Genderkonstrukt, linksradikaler Aktivist, K-Pop, oder Anime Fanatiker, Punk, oder einfach nur sehr schüchtern, oder irgendetwas anderes ist, die Leute in diesem Raum sehen jeden als wertvolles Individuum an. Die Zeit, die ich mit diesen Leuten verbracht habe ist so wertvoll und schön! Ich weiß aber auch, dass der Kontakt mit den meisten nun vorbei ist. Ich würde sie gerne alle als Freunde halten, aber ich weiß ganz genau, dass daraus nichts wird. Freundschaften, die sich in der Schule gebildet haben, halten selten danach noch an. Richtige Freundschaften sind das alles auch gar nicht, wir mögen uns einfach nur und haben immer Spaß miteinander. Immer wenn ich in diesen Raum gegangen bin war ich glücklich und habe gelächelt, auch weil ich bis zur Oberstufe immer ganz alleine durchs Leben gegangen bin und den sozialen Kontakt deshalb sehr zu schätzen weiß. Doch das ist jetzt vorbei und das ist ein prägendes Gefühl für mich jetzt gerade. Die letzten Monate habe ich schon oft daran gedacht, dass das alles hier in Kürze vorbei ist, deshalb kommt es nicht überraschend, aber es ist schon irgendwie hart.

Ich sehe meine große Jugendliebe nun im Alltag nicht mehr. Heute habe ich mich innerlich endgültig von ihm verabschiedet. Unsere Beziehung hielt nur zwei Wochen. Ich weiß, das klingt lächerlich, aber für mich war das eine sehr große Sache. Ich habe über ein Jahr gebraucht, um darüber hinweg zu kommen. Ein bisschen Gefühle habe ich immer noch für ihn, auch wenn er mich seitdem komplett ignoriert. Vor einer Woche habe ich ihm einen Brief geschrieben, in dem ich ihm viele Sachen gesagt habe, die ihn ihm noch unbedingt sagen musste, um beruhigt weiterleben zu können. Diese Tage hat er sich mir gegenüber offener Verhalten. Blicke sagen mehr als Worte, das war zwischen uns schon immer so. Auch wenn er versucht hat mich zu ignorieren, konnte er das nicht. Mit den Blicken hat er mir die letzten Tage gesagt, dass er mir nicht mehr so negativ gegenüber steht und dass er sich sehr über den Brief und dessen Inhalt gefreut hat. Auf mein Angebot einer Kontaktaufnahme ist er leider nicht eingegangen. Mir war bewusst, dass er das wahrscheinlich nicht tun wird, aber die Hoffnung war trotzdem groß. Inzwischen wäre es kein Problem für mich, auf einer normalen Freundschaftsebene, als Tröster wenn er traurig ist, was er oft ist, oder auch als seltener Chatkontakt mit ihm zu leben. Im Nachhinein weiß ich, dass es etwas besser gewesen wäre, hätte ich ihm den Brief früher geschrieben. Ich wusste aber nicht wie er reagiert. Wenn er sauer auf mich gewesen wäre, wäre es noch schwieriger für mich gewesen, in diesem Verhältnis mit ihm zu leben. Nun musste ich endgültig Abschied von ihm nehmen, das habe ich schon letzte Woche mit dem Brief getan, ihn nun aber nicht mehr im Alltag zu sehen, ist noch mal etwas anderes. Zu wissen, dass er in Zukunft nicht schlecht über mich denkt, hilft mir sehr. Er ist der großartigste Mensch, den ich jemals kennenlernen durfte, ich hoffe sehr, dass er ein schönes Leben haben wird, denn das hat er verdient.

Ich bin froh, dass ich endlich nicht mehr wie ein Fünftklässler da rumsitzen muss und eine Person, die oftmals kaum älter ist als ich und meine Schwester, oder mein Bruder sein könnte, mir die Welt erklären will. Dafür habe ich mich schon lange zu alt gefühlt. 13 Jahre Schulausbildung bis zum höchsten Schulabschluss, ist schon eine sehr lange Zeit. Nun habe ich das geschafft. Ich habe 13 Jahre durchgehalten und, zu Mindest in den letzten vier Jahren, alles gegeben. Die meisten Erwachsenen sagen "ich wünschte ich hätte mich damals in der Schule mehr angestrengt". Ich weiß ganz genau, dass ich das niemals sagen werde, weil ich alles gegeben habe, was möglich war. Alleine darauf bin ich so stolz! Sich bewusst zu machen, was ich alles für die Schule und gute Noten durchgemacht habe... WOW!

In der Oberstufe war ich einige Male an einem Punkt, dass ich realisiert habe, dass ich die Oberstufe nicht schaffe, nicht weil meine Noten zu schlecht waren, sondern weil ich den Druck, den ich mir auch teilweise selbst gemacht habe, nicht ausgehalten habe. Ich bin mehrmals so sehr zusammengebrochen, dass ich beschlossen habe, mich in ein paar Tagen von der Schule abzumelden. Ich war mir mehrmals sicher, dass ich das auf keinen Fall schaffen werde. Nun sitze ich hier, hatte meinen letzten Schultag, und habe das alles geschafft. Zu realisieren was man da geschafft hat - wie hart das für mich persönlich war. Ich habe irgendwie doch nie aufgegeben und mich dadurch gefressen. Das macht mich als Person für das Leben stark. Nun weiß ich, dass ich durch alles durchkommen kann, egal wie schlimm es ist. Mir ist es inzwischen fast komplett egal, was für Noten bei den Prüfungen herausgekommen sind, für mich zählt nur, dass ich alles gegeben habe, nicht mehr möglich war, ich niemals denken werde, dass ich mich damals mal hätte mehr anstrengen sollen, dass ich das, trotz aller Rückschläge, so gut geschafft habe! Da ist es egal, welche Zahlen am Ende auf dem Papier stehen, das sage ich, obwohl es sehr gute Zahlen sind. Auch wenn das was ich geleistet habe, nur ein 4,0 Abitur wäre, wäre ich darauf genauso stolz!

Ich bin auch super glücklich über all die Sachen, die ich gelernt habe. Alleine nur dafür hat sich das alles gelohnt. Es ist ein unbeschreiblich tolles Gefühl, immer wieder zu merken wie gut man gebildet ist. Das hilft einem im Alltag so gut weiter. Außerdem finde ich es total spannend, durch das weiterbilden, immer wieder aufs neue zu verstehen, wie die Welt funktioniert.

Zu wissen dass ich jetzt (in einigen Wochen) den höchsten Schulabschluss habe, den es in Deutschland zu erwerben gibt, und das auch noch mit so guten Noten, ist etwas, was auch ein Stück weit stolz macht. Von den etwa 160 Schülern in meinem Jahrgang, sind ungefähr 20 im Laufe der Oberstufe vorzeitig ausgestiegen, weil sie es einfach nicht geschafft haben. Wer es von Natur aus überhaupt nicht kann, fünf Stunden lang einen guten Text zu einer einzigen Frage zu schreiben, der hat es auf der Oberstufe unglaublich schwer. Auch wenn das Abitur zu bestehen heutzutage viel zu einfach geworden ist, ist es für die Leute, die für dieses System untalentiert sind, dazu gehöre auch ich, unfassbar schwer, das zu schaffen. Zu sehen, wie aus den Kursen, in denen man ist, immer wieder Leute wegbrechen, von einem Tag auf den anderen die Sitznachbarin die Schule verlassen muss und man selbst bis zum Ende durchhält, ist schon eine tolle Sache. Von den etwa 140 Schülern, die es bis zu den Prüfungen geschafft haben, werden noch einmal ungefähr zehn durchfallen. Bei der Dezimierung von 160 unter den 130 zu sein, und davon dann auch noch unter den besten, da realisiert man, was für eine große Sache man da geschafft hat.

Das alles ist jetzt vorbei. Meine Schulzeit ist nun vorbei. Wahrscheinlich beginnt ich im Herbst mein Studium. Ich habe Angst davor, dass ich dabei den sozialen Anschluss, den ich in den letzten drei Jahren hatte, nicht finden werde. Was viel wichtiger im Leben ist, als irgendwelche Noten, Geld, oder solche Dinge, ist die Interaktion mit anderen Menschen. Das macht glücklich. Was ich in den letzten drei Jahren sicher hatte, wusste, dass ich in der nächsten Pause tolle Gespräche mit Leuten führen kann, die ich mag und die mich mögen, wie ich bin, das habe ich nun nicht mehr und ich weiß nicht ob das wiederkommen wird.

Ich bin so dankbar für jede tolle Person, die ich kenngelernt habe, für alles was ich mit diesen Menschen erlebt habe. Ich kann nur Hoffen, dass ich solche Begegnungen auch in Zukunft noch haben werde. Meine beste Freundin sagte mir, dass es ein komisches Gefühl ist, zum letzten Mal als Schüler durch die Flure einer Schule zu laufen. Seit heute weiß ich wie komisch dieses Gefühl ist. Jetzt folgt eine Ungewissheit, ob ich weiter im Leben glücklich sein werde. Ich bin in den letzten drei Jahren aber auf so vielen Ebenen so stark geworden, dass ich die Kraft habe, wenn ich nicht glücklich bin, alles umzustürzen und zu machen was ich möchte, was mich glücklich macht, ganz egal was andere sagen. Ich lasse mir von niemandem erzählen was für mich das Beste ist. weiß was mir gut tut und was nicht. Ich weiß worauf es für mich ankommt. Ich bin stark! Ich genieße jede schöne Sekunde meines und werde immer glücklich über mein Leben sein!

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